Wenn am 1. Mai in der chinesischen Metropole Shanghai die Weltausstellung "Expo" eröffnet wird, werden einige Besucher sicher auch einen Abstecher in den Stadtteil Hongkou machen. Hier, an der Changyang Road, befindet sich das Museum für jüdische Flüchtlinge.
Es erinnert an die Zeit, als Shanghai für einige Jahre Zufluchtsort für etwa 30.000 verfolgte europäische Juden war. Sie kamen zwischen 1933 und 1941 aus Deutschland, Österreich und Polen nach Shanghai - knapp 10.000 Kilometer von der alten Heimat entfernt. Weil die Japaner, die die Stadt teilweise als Kolonialmacht kontrollierten, kein offizielles Einreiserecht für Shanghai vorgeschrieben hatten, war dort eine Einreise ohne Visa möglich. Shanghai war damit die einzige Großstadt der Welt, die ihre Tore für die ums Überleben kämpfenden Juden öffnete.
"Beschützten Juden in Zeiten der Not"
Die Stadt nahm mehr Flüchtlinge auf als Kanada, Australien, Indien, Südafrika und Neuseeland zusammen, erzählt der chinesische Schriftsteller und Gelehrte Israel Epstein in seinem Buch "Die Juden in China". Im Huoshan Park in der Nähe des Museums erinnert eine Gedenktafel an die fast vergessene Epoche der Stadtgeschichte, am Eingang des Museums prangt eine Tafel des israelischen Generalkonsulats. "Beschützten Juden in Zeiten der Not", heißt es da.
Reiseführer Zhu Jian Lin weiß zu erzählen, dass die meisten Flüchtlinge so gut wie mittellos waren, als sie im Hafen von Shanghai ankamen. Bargeld hatten sie keines, und die Nazis hatten lediglich zwei Koffer pro Person als Gepäck bei der Ausreise erlaubt.
Das einstige jüdische Viertel
Als die Flüchtlinge einwanderten, gab es in der Stadt sieben Synagogen. Die jüdische Gemeinde von Shanghai bestand überwiegend aus russischen Gläubigen. Heute findet man nur noch zwei Synagogen-Bauten, eine davon ist die Ohel-Moshe-Synagoge, die Bestandteil des Museums ist.
Im einstigen jüdischen Viertel standen Schulen, Kindergärten, ein Hospital, Wohnheime, jüdische Geschäfte und sogar ein Caféhaus mit dem Namen "Little Vienna Café". Außerdem gab es ein deutschsprachiges Theater, eine Illustrierte mit dem Titel "Gelbe Post", einen Buchverlag, Zeitungen wie das "8-Uhr-Abendblatt" und einen lokalen Radiosender.
Viele der alten Wohnhäuser aus roten Ziegelsteinen stehen noch heute. An einigen Gebäuden sieht man noch verblichene Schriftzeichen, die in deutscher Sprache auf eine ehemalige Schneiderei, einen Goldschmiedemeister oder eine Wäscherei hinweisen.
Heute wohnen keine Juden mehr in den Straßenzügen, die einst "Klein-Berlin" oder "Klein-Wien" genannt wurden und jetzt Namen wie Huoshan Road oder Zhoushan Road tragen. Aber die alten Ziegelbauten stehen noch und werden vor allem von denjenigen bewohnt, die im boomenden Shanghai nicht zu Wohlstand gekommen sind.
Auch das "Peace-Hotel" steht noch. Es wurde 1929 von einem im Opiumhandel reich gewordenen indischen Juden unter dem Namen "Cathay Hotel" errichtet. Viele jüdische Immigranten durften dort kostenlos wohnen, bevor sie eine eigene feste Bleibe gefunden hatten, weiß Zhu Jian Lin.
Wenige der jüdischen Flüchtlinge blieben
Doch bald zwangen die Japaner alle jüdischen Flüchtlinge aus Europa in ein Ghetto. Als Verbündete Hitlers hatten sie dieses "Sondergebiet für staatenlose Flüchtlinge" errichtet. Nur in Ausnahmefällen durfte die Bewohner es verlassen. Trotz der Allianz Japans mit Hitler-Deutschland wurden die Juden nie ausgeliefert. Von 1941 an durften aber keine Flüchtlinge mehr einreisen. Das Ghetto wurde im Juli 1944 versehentlich von den Amerikanern bombardiert. Es gab 31 Tote und mehrere hundert Verletzte. Am 3. September 1945 wurde es dann offiziell befreit.
Mit der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 und dem Sieg der Kommunisten über Chiang Kai-shek 1949 verließen fast alle Juden Shanghai. Die meisten von ihnen wagten einen weiteren Neuanfang in Israel, den USA, Australien, Kanada oder im alten Europa. Ganz wenige der jüdischen Flüchtlinge blieben. Heute leben nur noch wenige hundert Juden ständig in Shanghai. Doch seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und China im Jahr 1992 halten sich immer mehr jüdische Geschäftsleute, Studenten und Diplomaten in der Stadt auf, die Besucher im Rahmen der Expo erkunden können.