Konfirmation: Zwischen Handy und Heiliger Schrift
Wenn Konfirmanden das Vaterunser lernen und im Gottesdienst still sitzen sollen, sind sie in einem turbulenten Alter. "Jugendliche sind wie Schalentiere, die ihren Panzer abgeworfen haben", sagt Herbert Kolb, Pfarrer und Referent für Konfirmandenarbeit und Gemeindepädagogik der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Im Interview spricht er darüber, wie man sie mit jahrhundertealten kirchlichen Traditionen erreichen kann - auch und gerade im Konfirmandenunterricht.
26.04.2010
Die Fragen stellte Almut Steinecke

evangelisch.de: Herr Kolb, was macht Ihrer Ansicht nach gute Konfirmandenarbeit, einen guten Konfirmandenunterricht aus? Anders gefragt: Was kann dieser leisten in der heutigen Zeit? Womit erreicht man Handy-fixierte Jugendliche, um sie für ein traditionsbehaftetes Thema wie Konfirmation wirklich zu begeistern?

Herbert Kolb: Kennzeichen einer guten Konfirmandenarbeit ist zunächst einmal die Wahrnehmung der Jugendlichen. Die Konfirmandinnen und Konfirmanden haben als Pubertierende, als Schüler, als Mädchen, als Jungen, als Familienangehörige oder in Gruppen von Gleichaltrigen unterschiedlichste Aufgaben zu bewältigen. Von den allermeisten wissen wir nichts Genaues. Aber die Konfirmanden bringen das in die Gruppe mit. Was wir sehen, ist das Äußere - meinetwegen auch die Fixiertheit auf das neueste Handy. Aber diese Sachen sind nur Symbole. Dahinter steht vielleicht der Wunsch, dazuzugehören, mithalten zu können ... Ein weiteres Kennzeichen einer guten Konfirmandenarbeit ist der Versuch, diesen Jugendlichen sinnvolle Lernangebote zu machen. Und Lernen ist weit mehr – vielleicht sogar etwas ganz anderes – als etwa das Auswendiglernen von Texten! Jugendliche sollten Möglichkeiten erhalten, etwas über sich, über den Sinn des Lebens und dadurch etwas über Gott zu erfahren. Dafür können religiöse Inhalte gut sein.

Zuspruch in einer turbulenten Zeit

evangelisch.de: Welche Bedeutung ist der Konfirmation zueigen?

Herbert Kolb: Konfirmation bedeutet „Stärkung“ und knüpft an die Taufzusage an: „Du bist Gottes geliebtes Kind.“ Diese Zusage ist gerade in der turbulenten Zeit der Pubertät wichtig: Die unterschiedlichen Wachstumsprozesse verunsichern die Jugendlichen. Sie gleichen Schalentieren, die ihren Panzer abgeworfen haben, weil er zu klein geworden ist. Jetzt sind sie verletzlich. Sie fragen sich, was ihr Platz in der Welt und was der Sinn des Lebens ist. Gleichzeitig erleben sie enorme Anforderungen von Seiten der Schule, ihrer Eltern und nicht zuletzt von Seiten der Medien und der Gleichaltrigen. In dieser Verunsicherung bietet ihnen die Kirche eine Zeit der Stärkung an, die ihren öffentlichen Ausdruck in der feierlichen Segnung mit Handauflegung findet.

evangelisch.de: Was haben Jugendliche davon, wenn sie sich auf Gott einlassen? Was haben sie davon, wenn sie glauben?

Herbert Kolb: Nach meinem Verständnis - abgeleitet von Luthers Definition: „Woran du dein Herz hängst, das ist eigentlich dein Gott.“ - glauben alle Jugendlichen an einen Gott. Und nach meiner Erfahrung möchten sie sich mit ihrer Gottesanschauung beschäftigen. Das ist vor allem in der Jugend wichtig. Daran entscheidet sich doch die Frage: Was soll in meinem Leben Bedeutung haben? Was ist wirklich wichtig für mich? Darum geht es insgesamt in der Jugend – nicht nur in der religiösen Bildung.

evangelisch.de: Welche Angebote für Konfirmanden planen Sie im Rahmen des 2. Ökumenischen Kirchentages vom 12. bis 16. Mai 2010 in München?

Herbert Kolb: Ich selbst plane überhaupt kein Angebot für Konfirmanden. Aber es wird einen "KonFirmlinge-Tag" am 15. Mai geben, den eine eigens dafür eingesetzte Projektkommission vorbereitet. Die Jugendlichen sind als Konfi-Gruppen eingeladen, sich mit katholischen Gleichaltrigen zu treffen. Es wird auf dem Olympia-Gelände einen gemeinsamen Auftakt und einen gemeinsamen Schlussgottesdienst geben. Dazwischen können die Jugendlichen an verschiedenen Workshops teilnehmen. In erster Linie geht es darum, miteinander Spaß zu haben und den Kirchentag als eine gute Möglichkeit zu erfahren, mit anderen jungen Menschen zusammenzukommen.

Was gibt meinem Leben Richtung?

evangelisch.de: Inwieweit wirkt sich ein Fehlverhalten einer der ehemals „Oberen“, wie der Faux-Pas der zurückgetretenen EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann, Ihrer Meinung nach auf so junge Menschen in der Kirche aus?

Herbert Kolb: Das kann ich nicht beurteilen. Aber ich vermute, dass die wenigsten von ihnen dies als ebenso bedeutsam wahrgenommen haben wie wir - engagierten - Erwachsenen. Für die meisten Jugendlichen wird Margot Käßmann keine Vorbildfunktion gehabt haben, da sie einfach nicht in kirchlichen Kategorien denken. Ich gehe davon aus, dass sie mehr Probleme damit hätten, wenn etwa ihre Pfarrerin oder ihr Pfarrer betrunken eine rote Ampel überfahren hätte. Oder wenn sie erfahren, dass kirchliche Mitarbeitende sich an Jugendlichen in ihrem Alter vergehen. Personen, die für sie so weit weg sind wie eine EKD-Ratsvorsitzende, müssten schon eher die Popularität eines Fernsehstars haben, um in der einen oder anderen Weise auf die Einstellung von pubertierenden Jugendlichen einzuwirken.

evangelisch.de: Warum ist die Verinnerlichung eines „Beichtspiegels“ wichtig für das Wachstum einer jugendlichen Seele - dafür haben Sie Beispiele auf Ihrer Internet-Seite? Anders gefragt: Wie muss ein Beichtgottesdienst für Konfirmanden gestaltet sein, damit er bei den jungen Leuten keinen Trotz hervorruft?

Herbert Kolb: Es geht nicht um die „Verinnerlichung“ eines Beichtspiegels. Der Beichtspiegel ist ein Medium. Er soll den Jugendlichen helfen, sich selbst in verschiedenen Hinsichten wahrzunehmen: Wie sehe ich mich? Wie steht es mit meinem Verhältnis zu meinen Mitmenschen? Was gibt meinem Leben eine Richtung? Nach meiner Erfahrung beschäftigen sich viele Jugendliche sehr intensiv und ernsthaft mit solchen Fragen. Es sind eben die Fragen ihres Alters.

"Wichtiger als die Geschenke ist der Segen"

evangelisch.de: Wenn Sie einem Jugendlichen, der das Thema Konfirmation eher lustlos angeht, Appetit machen müssten - was für eine Antwort könnten Sie auf diese Frage finden: Warum ist es wichtig für Konfirmanden, ihre Konfirmation so zu gestalten, dass der Tag wirklich absolut einzigartig wird?

Herbert Kolb: Die EKD-Studie zur Konfirmandenarbeit hat gerade bestätigt, dass nur den wenigsten Konfirmanden die Konfirmation egal ist. Sowohl für ihre Eltern, wie für sie selbst ist das ein ganz besonderer Tag. Das hängt nicht nur mit den Geschenken zusammen. Noch etwas wichtiger ist ihnen sogar der Segen. Letztlich wird es – in dem einen wie im anderen – für viele darum gehen, dass sie erleben: Ich bin wichtig. Ich werde wertgeschätzt. Ich glaube, dass nicht die Konfirmanden Nachhilfe für die Gestaltung ihres Konfirmationstages brauchen, sondern ihre Eltern.

bayern-evangelisch.de

Herbert Kolb ist Pfarrer und Referent für Konfirmandenarbeit und Gemeindepädagogik der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Er arbeitet am Religionspädagogischen Zentrum (RPZ) in Heilsbronn.