Die Aschewolke, die Vorleserin und ihr fatalistischer Joghurt
Die Aschewolke verzieht sich, die übliche Hektik und Betriebsamkeit am Frankfurter Kreuz kommt zurück, und Viertklässer glauben an ein Paradies voller Legosteine. Außerdem wissen sie nicht, was ein "Schöpfer" ist - ein klarer Bildungsauftrag für alle, die nicht gerade per iPhone Bilder aus dem aschebedingten Zwangsurlaub schicken.
24.04.2010
Von Ursula Ott

Woche vom 19.4.

Montag

Was für ein Satz. "Wir fahren mit allem, was wir haben", sagt der Sprecher der Bahn, und er meint: wir fahren alle Fluggäste, die wegen der Aschewolke nicht abheben können. Eigentlich müsste der Satz eine Selbstverständlichkeit sein, eine Art Tautologie. Vogel fliegt, Mensch läuft, Bahn fährt. Bloß dass die Bahn im letzten halben Jahr fast nie mit allem fuhr, was sie hat, mal wegen Achsenschaden, mal wegen Frostschäden. Und jetzt plötzlich, wenn die Lufthansa ihre Gäste schickt, fährt die ganze ICE-Flotte? Aber wir wollen nicht kleinlich sein. Sondern nehmen es als gutes Zeichen. Na also, geht doch. Demnächst auch für schnöde Bahnfahrer bitte. Und ohne Aschewolke.

Dienstag

Ein Gutes hat die Aschewolke: Wir haben alle ein Thema, das uns verbindet, denn irgendwie ist jeder betroffen. Die eine Kollegin berichtet, ihre Eltern stecken auf dem Kreuzfahrschiff fest, die andere schickt Strandfotos vom iPhone, Urlaub verlängert. Bloß ich, die den ganzen Winter über Störungen im Betriebsablauf geschimpft hat, bin so was von gar nicht betroffen von diesem Mobilitätschaos. Nachdem ein ICE letztes Wochenende genau auf meiner Strecke Köln-Frankfurt eine Tür verloren hat, habe ich am Sonntag beschlossen, mit dem Auto nach Frankfurt zu fahren und dort die ganze Woche zu bleiben. Und hier ist einfach nur Frühling, blauer Himmel und himmlische Ruhe am Frankfurter Kreuz. Habe Premierenkarten für "Badesalz" ergattert, ein hessisches Comedyduo, deren neues Stück "Bindannda" geradezu prophetische Qualitäten hat. Der Plot: Ein Hersteller von Leichtmetalldosen hat von seiner Frau einen Flug im Gleitschirm geschenkt gekriegt, sollte nur en Verdelstündsche dauern. Aber er landet nach sieben Stunden Irrflug bei einem Aussteiger im Wald. Passt gut zum realen Flugchaos diese Woche.

Mittwoch

Was ist das denn. Morgens am Frankfurter Kreuz – ein Flieger! Air Berlin. Bestimmt sitzt Herr Hunold persönlich am Steuer und landet gleich bei diesem hessischen Aussteiger. Aber nein, gegen Mittag geht es wieder richtig los mit der Fliegerei. Schade, war so schön ruhig. Und die gestrandeten Kollegen trudeln auch einer nach dem anderen wieder ein. Keiner erzählt vom ganz großen Chaos, ach was, der Mensch hat ja längst ein iPhone dabei und kann vom Strand aus die Flüge umbuchen. Es handelt sich ja nicht um ein Erdbeben in Haiti, sondern um eine kleine Atempause mitten in der Zivilisation. Alles halb so wild.

Donnerstag

Last-minute-Idee: Morgen ist ja Welttag des Buches. Und mein zehnjähriger Sohn, kurz vor dem Übergang zum Gymnasium, hat zum letzten Mal Vorlesetag in der Grundschule. Soll ich was vorlesen oder werde ich doch ganz dringend im Büro gebraucht? Ja, bestimmt werde ich im Büro gebraucht. Aber Büro ist immer, die Arbeit kann ich am Montag aufholen. Lesetag ist zum letzten Mal.

Freitag

Was für eine weise Entscheidung. Wer in seinem Alltag das Gefühl vermisst, andere Menschen unmittelbar glücklich zu machen, sollte Vorleser werden. Kann man übrigens in allen Städten machen, Vorlesepate. Ich schaffe es nur einmal im Jahr, aber es ist grandios, wie aufmerksam Kinder zuhören können. Ich lese aus "Das Leben ist kein Joghurt" von Wladimir Kaminer aus der edition chrismon, eine neue Version von "Adam und Eva". Bedenken hatte ich, weil da ein paar schwere Vokabeln drin sind, "Fatalismus" und "kooperativ". Aber das stört die Kinder nicht. Bloß was ein "Schöpfer" ist, wissen sie nicht, auch "Schöpfung" kann keiner erklären, weder von den Erst- noch von den Viertklässlern. Oh je, evangelisch.de, es gibt viel zu tun. Aber was das Paradies ist, das können alle Kinder sagen. Ein Stall voller Ferraris, sagt einer. Eine Welt voller Legos, sein Kumpel. Und ein Mädchen sagt ganz bescheiden: Ein Wochenende ohne Schule und Hausaufgaben. Dem steht nichts im Weg. Schönes Wochenende!

 


Über die Autorin:

Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon, Chefredakteurin von evangelisch.de, Mutter von zwei Kindern und pendelt täglich zwischen Köln und Frankfurt. www.ursulaott.de.

Neu im Buchhandel: Ursula Ott: "JA TOLL - Geschichten, die immer nur mir passieren", erhältlich im chrismon-shop!

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