Als vor rund einem Jahr die ersten Bilder einer neuen Krankheit aus Mexiko die Menschen in Deutschland erreichten, reagierten viele noch mit verhaltenem Staunen. Was war das für ein Virus, das Straßen, Fußballstadien und Kirchen selbst an Wochenenden gespenstisch leerte? Doch schon bald schien der Erreger der Schweinegrippe auch in Deutschland eine Bedrohung zu werden. Experten warnten von einer weltweiten Pandemie und tatsächlich breitete sich das Virus nach Europa aus. Als dann Ende April die ersten drei Fälle in Deutschland bekannt wurden - Urlauber, die aus Mexiko zurückgekehrt waren - bekamen es viele Menschen mit der Angst zu tun.
Was aber ist geblieben, rund ein Jahr später? In Deutschland wurden dem Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin bis zum 20. April insgesamt 226.137 Schweinegrippe-Fälle gemeldet, darunter 253 Todesfälle. Aktuellen Zahlen zufolge scheint die Schweinegrippe-Saison nahezu abgeklungen zu sein: Im April wurden pro Woche unter zehn neue Fälle gemeldet.
Influenzawellen nicht vorhersagbar
Angesichts von möglichen Szenarien, die Experten im vergangenen Jahr entworfen hatten, scheinen diese Zahlen sehr gering. Dennoch verteidigt der RKI-Vizepräsident, Prof. Reinhard Burger, das Vorgehen der Wissenschaftler. "Influenzawellen lassen sich nicht vorhersagen", sagt er. Denn auch wenn die Viren wie bei der saisonalen Grippe bekannt seien, gebe es große Schwankungen bei den Grippewellen. "Dennoch muss man sagen: Die Gesundheitsexperten weltweit waren bei der Pandemie-Planung vorsorglich von einem Geschehen ausgegangen, das schlimmer als eine saisonale Grippewelle ist. Der vergleichsweise moderate Verlauf der Pandemie war eher unerwartet."
Vor mehreren Monaten hatten Ärzte und Wissenschaftler dagegen noch von einer größeren Verbreitung der Neuen Influenza gewarnt. Tatsächlich hatte sich das Virus H1N1 schon im Frühjahr bundesweit ausgebreitet, die Zahlen der Neuerkrankungen stiegen stetig.
Anfang Oktober wurde dann der erste Todesfall im Zusammenhang mit der Schweinegrippe bekannt. Kurz danach schnellten die Zahlen der Neuinfizierten bundesweit in die Höhe. Im November wurden in einer Woche sogar über 45 000 Neuinfektionen gemeldet. Besonders betroffen waren Bayern und Nordrhein-Westfalen, doch auch in Baden-Württemberg und Niedersachsen wurden zahlreiche Neuinfektionen registriert.
Mundschutz gefragt
Menschen, die in der Öffentlichkeit niesten oder husteten, wurden argwöhnisch beäugt. Das regelmäßige und gründliche Händewaschen kam in Mode und auch der Mundschutz war plötzlich sehr gefragt. Schon deutlich vorher war der Ruf nach einem Impfstoff lauter geworden. Schließlich wurden bereits im Sommer ganze Schulen geschlossen. Hatten die Länder möglicherweise den Impfstoff zu spät bestellt?
Doch als der neue Impfstoff Ende Oktober dann endlich verfügbar war, reagierten die Menschen verhalten. Zahlreiche Arztpraxen wurden von Impfwilligen zunächst regelrecht zwar überrannt. Doch der Ansturm hielt nicht lange an. Viele waren verunsichert. Schließlich hatten sich kritische Stimmen gemeldet, die den Nutzen des neuen Impfstoffs infragestellten. Außerdem wurde deutlich, dass die Schweinegrippe- Saison milder als erwartet verlief. Deswegen verzichteten viele Menschen lieber ganz auf eine Immunisierung.
Viele Impfdosen übrig geblieben
Nach Angaben des niedersächsischen Gesundheitsministeriums, das den Vorsitz der Landesgesundheitsminister hat, wurden schätzungsweise nur sieben Prozent der Bevölkerung in Deutschland geimpft. Die Impfquoten waren in den Bundesländern unterschiedlich. Sie betrugen im letzten Quartal 2009 zwischen 3,5 Prozent (Baden-Württemberg) und 10 Prozent (Sachsen-Anhalt, Sachsen).
Die Gefahr, dass die Bundesländer auf den vielen nicht verwendeten Impfdosen und damit auf Millionen-Kosten sitzen bleiben, ist enorm. Die niedersächsische Gesundheitsministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) hält die Ausgaben für die Impfstoffe jedoch für gerechtfertigt: "Niemand würde doch auf die Idee kommen, die Investition in den Brandschutz als Defizit zu verbuchen, wenn kein Brand auftritt."