Guttenberg kann Widersprüche nicht ausräumen
Verteidigungsminister zu Guttenberg hat vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss die Verantwortung für seine Fehleinschätzung des Luftschlags übernommen, die Schuld dafür aber der damaligen Spitze seines Ministeriums zugewiesen.
23.04.2010
Von Michael Fischer und Bettina Grachtrup

Es ist die wohl wichtigste und schwierigste Woche der bisherigen Amtszeit von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Am vergangenen Freitag begleitete der CSU-Politiker die fünf bei einem Gefecht verletzten Bundeswehrsoldaten vom nordafghanischen Masar-i-Scharif nach Istanbul. An diesem Samstag wird er an der Trauerfeier für die vier Gefallenen teilnehmen. Zwischen beiden Terminen sitzt er am Donnerstag in einem Sitzungssaal des Bundestags, um den Abgeordneten des Untersuchungsausschusses zum Luftschlag von Kundus Rede und Antwort zur stehen.

Betont gelassen lässt er das Blitzlichtgewitter zu Beginn der Sitzung über sich ergehen - lächelnd und mit der linken Hand in der Hosentasche. "Ich bin ganz entspannt", hatte er in den vergangenen Wochen stets entgegnet, wenn er auf den Ausschuss angesprochen wurde.

Das Gremium hat den Auftrag, das von einem Bundeswehroberst befohlene Bombardement zweier Tanklaster am 4. September 2009 zu untersuchen, durch das bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt wurden. Zu diesem Zeitpunkt war Guttenberg noch Wirtschaftsminister. Die Aufarbeitung des Bombardements erwischte ihn aber schon am Tag seines Wechsels ins Verteidigungsministerium. Binnen weniger Wochen wurde die Kundus-Affäre auch zu seiner Affäre.

"Die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen"

Seine Aussage beginnt der Minister mit den aktuellen Ereignissen in Afghanistan. Er würdigt die Schweigeminute, die es am Morgen im Bundestag vor der Regierungserklärung von Kanzlerin Angela Merkel gab. "Es war ein wichtiges und ein klares Zeichen", sagt er. Mehrfach macht er in seiner Aussage deutlich, dass ihm die Bewältigung der bevorstehenden Aufgaben der Bundeswehr in Afghanistan weitaus wichtiger ist, als die Aufarbeitung der Fehler der Vergangenheit. Die Diskussion über die Luftschläge sei wichtig. Aber: "Noch wichtiger ist, die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen."

In der Vernehmung über die Kundus-Affäre geht es vor allem um zwei Fragen. Warum hat Guttenberg nur eine Woche nach seinem Amtsantritt die Luftschläge als "militärisch angemessen" bezeichnet und seine Meinung einen Monat später geändert? Und was sind die Hintergründe der Entlassung seiner zwei wichtigsten Berater - Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert?

Bei der ersten Frage übernimmt Guttenberg klar die Verantwortung für eine "Fehleinschätzung". Er habe sich auf den Sachverstand seiner Berater verlassen, als er von einer militärisch angemessenen Aktion sprach. Später habe er sich auf der Grundlage von Informationen, die ihm vorenthalten worden seien, korrigiert. Peinlich ist ihm die Korrektur nicht. "Erwarten wir von guter Politik bisweilen nicht (...), dass sie sich korrigiert?", fragt er die Abgeordneten.

Den Vorwurf, er habe Schneiderhan und Wichert zu "Sündenböcken" gemacht, oder sie als "Bauernopfer" missbraucht, weist Guttenberg zurück. Sein Vertrauen sei erschüttert gewesen, weil die beiden die Existenz eines Feldjägerberichts der Bundeswehr auch auf Nachfrage zunächst verschwiegen hätten.

Guttenberg betont allerdings erneut, dass er weder Wichert noch Schneiderhan Böswilligkeit vorwerfe. Das Wort "vorenthalten" sei für ihn "weder mit Vorsatz noch mit strafrechtlicher Relevanz" verbunden, sagt er. Das Wort "unterschlagen" habe er zwar einmal verwendet, aber sofort korrigiert. "Jeder hat seinen Sprachgebrauch."

Wichert und Schneiderhan haben bereits vor mehreren Wochen vor dem Ausschuss ausgesagt. Unter anderem bestritten sie, dass der Feldjägerbericht neue Erkenntnisse für Guttenberg enthielt. Bei der Darstellung des Gesprächs, das zur Entlassung der beiden führte, beginnen die Differenzen schon bei der Zahl der Anwesenden. Guttenberg spricht von fünf Teilnehmern, Wichert und Schneiderhan von vier.

SPD will Gegenüberstellung in Kundus-Ausschuss

Jetzt soll eine Gegenüberstellung die Widersprüche auflösen. Die SPD will im Untersuchungsausschuss zur Kundus-Affäre eine Gegenüberstellung von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mit seinen ehemaligen Spitzenberatern erzwingen. Wegen widersprüchlicher Aussagen soll der CSU-Politiker direkt mit seinem ehemaligen Staatssekretär Peter Wichert und dem früheren Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan konfrontiert werden. Es bestehe der Verdacht, dass der Minister "das Parlament, die Öffentlichkeit belügt", begründete SPD-Obmann Rainer Arnold den Vorstoß am Donnerstagabend nach der Vernehmung Guttenbergs im Ausschuss.

Die Linke will den Antrag unterstützen, die Grünen sind noch unentschlossen. Nach Angaben der SPD reicht ein Viertel der Stimmen im Ausschuss aus, um die Gegenüberstellung durchzusetzen. Da SPD und Linke über 12 von 34 Sitzen im Ausschuss verfügen, wären sie demnach nicht auf die Zustimmung der Grünen angewiesen.

Arnold sah in der Aussage Guttenbergs eine "Kette von Tricks, Vertuschereien und Halbwahrheiten" und warf ihm "Machtmissbrauch" vor. Der Minister hatte die Entlassung von Wichert und Schneiderhan damit begründet, dass sie ihm Informationen zu dem von einem Bundeswehroberst befohlenen Luftschlag auf zwei Tanklaster in Nordafghanistan vorenthalten hätten. Das Gespräch, das zu den Entlassungen führte, wurde aber von Schneiderhan und Wichert anders geschildert, als von Guttenberg.

Die Linke will den Antrag der SPD unterstützen. "Das ist unabweisbar", sagte Obmann Paul Schäfer. "Ob es etwas bringt, wird man dann sehen." Der Grünen-Obmann Omid Nouripour äußerte sich zurückhaltend. "Wir werden das in Ruhe beraten", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Gegenüberstellungen zulässig

Der Ausschuss hatte Guttenberg acht Stunden in öffentlicher und geheimer Sitzung vernommen. Das Untersuchungsausschussgesetz sieht Gegenüberstellungen von Zeugen ausdrücklich vor. "Eine Gegenüberstellung mit anderen Zeugen ist zulässig, wenn es für den Untersuchungszweck geboten ist", heißt es darin.

Vor zehn Jahren kam es schon einmal zu einer Gegenüberstellung in einem Untersuchungsausschuss. Damals ging es um den CDU-Spendenskandal. Der heutige Finanzminister und frühere CDU-Chef Wolfgang Schäuble und die ehemalige CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister wurden gemeinsam vor den Ausschuss geladen. Dabei ging es um unterschiedliche Versionen zur Übergabe einer Spende von 100.000 Mark durch den Waffenhändler Karlheinz Schreiber.

dpa