Merkel: Abzug aus Afghanistan "unverantwortlich"
Trotz der schweren Verluste der Bundeswehr in Afghanistan hält Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Einsatz für alternativlos. Forderungen nach einem sofortigen Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan bezeichnete sie als "unverantwortlich".

"Es wäre (...) ein Trugschluss zu glauben, Deutschland wäre nicht im Visier des internationalen Terrorismus", sagte sie in ihrer Regierungserklärung im Bundestag. Die Folgen eines Abzugs wären "weit verheerender als die Folgen der Anschläge vom 11. September 2001". Afghanistan würde "in Chaos und Anarchie versinken".

Zugleich zeigte die Kanzlerin abermals Verständnis dafür, dass Soldaten den Afghanistan-Einsatz als Krieg bezeichnen. "Das verstehe ich gut." Sie warnte davor, die Situation in Afghanistan zu beschönigen. "Niemand von uns verharmlost." Merkel rief die Abgeordneten des Bundestags dazu auf, zu dem erst im Februar vom Parlament beschlossenen Mandat zu stehen. "Wir können von unseren Soldaten nicht Tapferkeit erwarten, wenn uns selbst der Mut fehlt, uns zu dem zu bekennen, was wir beschlossen haben." Innerhalb von zwei Wochen waren in Afghanistan sieben deutsche Soldaten getötet worden.

Fortschritte und Rückschritte

Die Kanzlerin räumte Fehler im Zusammenhang mit dem Afghanistan- Einsatz in den vergangenen Jahren ein. "Es gab manche Fortschritte, es gab zu viele Rückschritte, und unsere Ziele waren zum Teil unrealistisch hoch oder sie waren zum Teil falsch." Merkel wies auf die neue Afghanistan-Strategie zur schnellen Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Afghanen hin. "Unser Einsatz ist nicht auf Dauer angelegt, aber auf Verlässlichkeit." Das Land zu einer Demokratie nach westlichem Vorbild machen zu wollen, wäre zum Scheitern verurteilt.

Die Folgen eines Abzugs wären nach Merkels Einschätzung auch für die internationale Gemeinschaft und die Sicherheit in Deutschland «unabsehbar». So würde die Gefahr erheblich steigen, dass Nuklearmaterial in die Hände extremistischer Gruppen gelange. Ein Abzug wäre eine "Ermutigung für alle Extremisten, die weit über Afghanistan und seine Nachbarn hinausgehe". Merkel wiederholte die Aussage des früheren Verteidigungsministers Peter Struck (SPD), dass die Sicherheit in Deutschland auch am Hindukusch verteidigt werde.

Letzte Option

Zweifel an der Gültigkeit des Afghanistan-Mandats, wie sie von SPD-Chef Sigmar Gabriel geäußert worden sind, wies die Kanzlerin zurück. "Dieses Mandat ist über jeden vernünftigen völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Zweifel erhaben", sagte sie. Der Einsatz der Bundeswehrsoldaten ist aber nach Ansicht von Merkel nur die letzte Option. "Er kann stets nur das letzte Mittel sein, streng gebunden an Völker- und Verfassungsrecht." Merkel erinnerte daran, dass auch Unbeteiligte infolge deutschen Handelns ihr Leben verloren. Dabei nannte sie den Luftschlag bei Kundus vom 4. September, bei dem bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt wurden.

Zuvor hatte Merkel den Angehörigen, Freunden und Kameraden der sieben getöteten Bundeswehrsoldaten ihr Mitgefühl ausgesprochen. Die Soldaten seien gestorben, weil sie Afghanistan zu einem Land ohne Terror und Angst machen wollten. «Alle Soldaten, die in Afghanistan Dienst tun, verdienen unsere Solidarität und unser Mitgefühl.

dpa