"Die Auflehnung", 28. April, 20.15 Uhr im Ersten
Die Ursachen des Widerstands sind dabei ganz unterschiedlich: mal sind es die Strukturen, gegen die rebelliert wird, mal ist es die Natur. Das macht die Grundzüge des im Gegensatz zu den beiden anderen Lenz-Adaptionen der letzten Jahre noch vergleichsweise aktuellen Romans so alltagsnah. Und da die Probleme Alt und Jung betreffen, richten sich Buch und Film an Leser und Zuschauer allen Alters.
Mit Jan Fedder und André M. Hennicke
Mit seiner ruhigen Inszenierung und den langen Einstellungen, die sich für die Landschaft ebenso viel Zeit nehmen wie für die Gesichter (Kamera: Wedigo von Schultzendorff), hat Regisseur Manfred Stelzer Lothar Kurzawas Drehbuch allerdings sehr klassisch umgesetzt. Im Zentrum steht ohnehin ein älteres Brüderpaar, das gegensätzlicher kaum sein könnte: hier der wortkarge Landwirt Frank (Jan Fedder, wie schon in "Das Feuerschiff" und "Der Mann im Strom"), der einen Kleinkrieg gegen die Kormorane führt; dort der distinguierte Willy (André M. Hennicke), eine Koryphäe unter den Hamburger Teeverkostern, der seinen Geschmackssinn verloren hat und seinen geliebten Beruf daher aufgeben muss. Hennicke ist hier ganz gegen sein raubeiniges Image besetzt worden und verleiht dem leicht lebensfremden Tee-Experten eine bemerkenswerte Fragilität. Ganz wunderbar spielt Hennicke auch eine intensive Romanze Willys mit der Freundin (Daniela Schulz) seiner Nichte; die Einseitigkeit dieser aussichtslosen Liaison macht die Figur noch sympathischer.
Regisseur verzichtet konsequent auf jeden Kitsch
Ähnlich gut geführt sind die jungen Schauspieler: Franks Tochter Ute (Jodie Leslie Ahlborn) zum Beispiel will ihr Elternhaus endlich verlassen, muss aber auf dem Hof mitarbeiten; genauso erging es in seiner Jugend Frank, den sein Vater einst sogar an über Nacht an einen Baum fesselte, damit er nicht wegkonnte. Frank hat sich außerdem auch mit Bernhard (Josef Heynert) überworfen, der mal wie ein Sohn für ihn war; bis er in die Kasse griff. Dass Bernhard und Ute ohne Wissen des Vaters längst ein Liebespaar sind, rückt die Geschichte endgültig in die Nähe des Heimatfilms. Allerdings verzichtet Kurzawa, der auch die Drehbücher zu den beiden anderen Lenz-Verfilmungen des NDR geschrieben hat, konsequent auf jeden Kitsch. Die Zutaten sind jedoch ganz ähnlich, zumal die verschiedenen Erzählebenen unausweichlich in eine Tragödie münden; und so mag dem Film zwar hohe Literatur zugrunde liegen, aber die Umsetzung ist dank der nachvollziehbaren Konflikte höchst lebensnah. Die Szenen mit den Kormoranen sind dagegen schwere Kost, auch wenn das Bild des gekreuzigten Vogels ein ungeheuer starkes Bild ist.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).