Malawi: Erfolgreich gegen Hunger - und gegen die Weltbank
Mais ist das Hauptnahrungsmittel in Malawi, und noch vor Jahren gab es zu wenig davon. Malawi hungerte, das Ausland musste helfen. Um die Ernten zu steigern, begann die Regierung, Kunstdünger zu subventionieren - gegen die Regeln der Weltbank. Es funktionierte: Malawi begann sogar, Mais zu exportieren. Ein Modell für Afrika? Vielleicht - aber mit den Subventionen kommen neue Probleme.
21.04.2010
Von Marc Engelhardt

An den Hunger erinnern sich alle in Mathola, einem kleinen Dorf im Süden Malawis. "Am schlimmsten war es Anfang des Jahrzehnts", berichtet Dorfchef John Twaliki. "Es war eine lange Dürre und wir konnten nichts tun, um die Lage zu verbessern: Irgendwann war der Mais alle und wir hatten keine Vorräte mehr, auch kein Saatgut und keinen Dünger." Mehr als 1.500 Menschen starben, vor allem Alte, Frauen und Kinder, schätzt die Regierung. Eine neue Hungersnot will sie um jeden Preis vermeiden.

Mais ist das Grundnahrungsmittel Malawis. 2005 fiel die Ernte so miserabel aus, dass sie als die schlechteste in die Geschichte des seit 1964 unabhängigen Landes einging. Fünf von 14 Millionen Einwohnern waren auf ausländische Hilfe angewiesen, als Präsident Bingu wa Mutharika eine neue Politik ankündigte: "So lange ich Präsident bin, möchte ich nicht in fremde Hauptstädte reisen, um dort um Essen zu betteln."

Rekordernte durch Kunstdünger

Mutharika führte Subventionen für Kunstdünger wieder ein, die auf massiven Druck der Weltbank in den 90er Jahren abgeschafft worden waren. Dass sich der Staatschef jetzt den beiden einflussreichen Institutionen widersetzte, sorgte bei vielen für Kopfschütteln.

"Die Regierung hat im ersten Jahr 58 Millionen US-Dollar in die Subventionen gesteckt", erklärt Edson Musopole, Vorsitzender eines Netzwerks von nichtstaatlichen Landwirtschaftsorganisationen. Und Malawi musste das trotz leerer Kassen selbst aufbringen: "Kein Geberstaat war bereit, nennenswerte Beträge in das Programm zu stecken."

Das Wunder geschah: Ein Jahr später fuhr Malawi eine Rekordernte ein. Das Welternährungsprogramm flog gelagerte Hilfsgüter wieder aus, weil es nicht mehr so viele Hungernde gab. Ein Jahr später, die Regierung hatte das Programm ausgeweitet, produzierten die Malawier sogar mehr, als sie selbst aßen. Das Land begann, Mais zu exportieren. Bis 2007 hatte sich die Ernte gegenüber 2005 verdreifacht.

Ein Viertel aller Eigenmittel geht für Dünger drauf

Peter Simbani, Direktor in Malawis Finanzministerium, lobt die Subventionen als Modell für Afrika. "Wir sehen deutliche Wachstumseffekte in der Gesamtwirtschaft, seitdem wir das Programm aufgelegt haben." Auch die Gebernationen haben Vertrauen gefasst. Doch das staatliche Förderprogramm hat seinen Preis: 178 Millionen US-Dollar hat die Regierung im vergangenen Jahr für Kunstdünger ausgegeben, auch deshalb, weil der Rohölpreis so hoch lag. Das sind fast 15 Prozent des gesamten Haushaltsvolumens und ein Viertel aller Eigenmittel.

Simbani hofft, dass Bauern wie die in Mathola bald in der Lage sein werden, Dünger zum vollen Preis zu kaufen. "Die Bauern sollen mit den steigenden Erlösen zunehmend unabhängig werden: Je weniger Armut es gibt, desto weniger Subventionen gibt es." Doch in Mathola kann sich das niemand vorstellen: Die Bauern wollen mehr, nicht weniger Hilfe.

Dünger-Korruption ist an der Tagesordnung

"Eigentlich ist die Regel: mit einem staatlichen Coupon bekommt ein Bauer zwei 50-Kilo-Säcke Dünger", ärgert sich der Bauer Leonard Philipp. "Aber in Wirklichkeit haben wir in diesem Jahr nur je einen bekommen, und den mussten wir uns zu acht teilen." Der 22-jährige Amos Kuthambo gehört zu denen, die ganz leer ausgehen: Die knappen Coupons werden vom Dorfchef vor allem an Alte und Bedürftige verteilt. "Die Regierung sagt, junge Männer wie ich sollen arbeiten gehen und das Geld für den Kunstdünger selbst verdienen, aber hier gibt es keine Arbeit."

Viele Coupons kommen zudem nie bei den Empfängern an. "Es gibt Korruption, keine Frage", bestätigt Andrew Kumbatira von Malawis Netzwerk für Wirtschaftsgerechtigkeit. Dennoch sei kein anderes Regierungsprogramm so beliebt. "Die Priorität Nummer eins in den Dörfern ist ganz klar die Düngersubvention." Andere Probleme wie die überfüllten Schulen und armseligen Hospitäler seien den Menschen nicht so wichtig wie die Chance auf eine gute Ernte.

epd