Der "Blick Griechenlands": Theo Angelopoulos wird 75
Man nennt ihn den "Blick Griechenlands". Und der ist sehr eigen. Am 27. April wird der große Regisseur Theo Angelopoulos 75. Eine Würdigung des Filmkunstschaffenden.
21.04.2010
Von Takis Tsafos

"Pass mal auf: Ich erwarte nicht von dir, dass du das verstehst was ich mit meinen Filmen meine. Ich erwarte von dir, dass du das verstehst, was deine Seele aus diesen Filmen versteht. Es ist eben wie Dichtung." Das sagte Theo Angelopoulos vor vielen Jahren in den frühen Morgenstunden in einem Motel in der griechischen Grenzstadt Alexandroupolis einem Team von Journalisten. Sie begleiteten ihn und seinen Fotografen bei der Besichtigung von Drehorten für seinen Film "Der pendelnde Schritt des Storches" (1991). Der Mann, den die Griechen als den "Blick Griechenlands" aber zunehmend auch des gesamten Balkans verstehen, wird am 27. April 75. Und er hat noch viel vor. Er muss eine Filmtrilogie zu Ende bringen.

"Es gab Hoffnung in der Zukunft. Das gibt es heute nicht mehr"

Überheblich? Nein, das ist er nicht. Wenn man ihn kennt. Er hat die Geduld eines Lehrers, wenn er einem erklärt, was er von der einen oder der anderen Szene haben will. Und wenn er einen Charakter in seinem Kopf hat, dann will er alles über ihn wissen. Als er einen Auslandskorrespondenten in einem Film haben wollte, ließ er seine Journalistenfreunde nicht in Ruhe. Angelopoulos wollte bis ins tiefste Detail finden, was seinen Charakter kennzeichnet: "Was ist das, woran du jetzt denkst? Was ist dein größter Stress?", fragte er immer wieder das Journalistenteam, das ihn damals begleitete. Alle Antworten, vermischt mit einem genialen Stil, kamen dann - fast ein Jahr später - haargenau als Merkmale eines Auslandskorrespondenten, der in Belgrad während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien arbeitete, in seinem Film vor.

Angelopoulos wurde am 27. April 1935 in Athen geboren, in der Nähe der Acharnon-Straße. Damals galt die Gegend als das Zentrum der Mittelschicht. Sein Vater betrieb eine Parfümerie. Die Zeiten wurden aber stürmisch und prägten seinen Charakter. 1941 wurde Griechenland von den Achse-Mächten besetzt. Es folgte ein fürchterlicher Bürgerkrieg, dessen politisch-gesellschaftliche Folgen sein Leben und das Leben von Millionen Griechen verändern sollte. "Damals waren die Zeiten schwierig und eigenartig, aber die Horizonte sichtbar. Es gab Hoffnung in der Zukunft. Das gibt es heute nicht mehr", sagte Angelopoulos der dpa wenige Tage vor seinem Geburtstag.

Zahlreiche Auszeichnungen

Angelopoulos wurde fasziniert vom Kino, dem Medium, das damals einen Ausweg aus der Misere gab. Nach einem nicht abgeschlossenen Jurastudium in Athen wanderte er aus nach Frankreich. 1964 kehrte er nach Griechenland zurück. Die Anerkennung kam erst in den 70er Jahren, als er sich in drei Filmen mit der jüngsten und schmerzhaften Geschichte seines Landes auseinandersetzt.

Mit einem davon, "Alexander der Große", bekam er 1980 bei den Filmfestspielen in Venedig den Goldenen Löwen. Danach, für "Landschaft im Nebel", erhielt Angelopoulos 1988 in Venedig den Silbernen Löwen. Berühmt sind auch seine Streifen "Der Bienenzüchter" und "Reise nach Kythera".

Später setzte er sich auch mit Themen wie Migration auseinander. Dabei kamen Filme wie "Der schwebende Schritt des Storches" oder auch "Blick des Odysseus" heraus, in denen er sich mit dem Zerfall des Sozialismus auseinandersetzt.

Für diesen "Blick"-Film, der für viele Griechen und Angelopoulos selbst wohl als sein bestes Werk gilt, bekam er 1995 in Cannes den Großen Preis der Jury - nicht aber die Goldene Palme. Angelopoulos zeigte sich damals von seiner "giftigen Seite" für diesen Trostpreis, kommentierte die Athener Presse. Er verkündete beleidigt: "Wenn das alles ist, was Sie für mich haben, habe ich nichts zu sagen", sagte er und ging weg.

"Das andere Meer": Das Heute ohne Horizonte

Angelopoulos riss sich dann aber zusammen und nahm einen neuen Anlauf. 1998 bekam er endlich die Goldene Palme in Cannes für den Film "Ewigkeit und ein Tag" mit Bruno Ganz und Isabelle Renauld. Angelopoulos ist sicherlich kein einfacher Mensch. Man muss sich Mühe geben, ihn zu verstehen. Seine Charakter sind schwierig und undurchsichtig. In der Regel sind es tragische Figuren. Rückkehrer aus dem Exil, Regisseure ohne Inspiration, sterbende Schriftsteller. Theo Angelopoulos macht es Zuschauer nicht leicht: "Ich mache Filme für mich - nicht für die anderen", sagt er.

Sein nächster Film wird wieder mal sehr pessimistisch und dunkel sein: "Der Glaube, wir könnten in einer besseren Welt leben, den gibt es nicht mehr", sagte Angelopoulos der dpa. "Der neue Film betrifft das, was wir heute erleben. Es ist das Heute ohne Horizonte." Der Film heißt "Das andere Meer". Der Regisseur: "Wir gehen durch ein Meer, dem ein anderes Meer folgt, und wissen nicht, ob das Meer was danach kommt, endlich einen Horizont der Hoffnung hat."

dpa