Deutsche Spuren in São Paulos Benediktiner-Kloster
Seit mehr als 400 Jahren mahnt das Kloster São Bento mit seinen mächtigen Glocken zur Ruhe und Einkehr. Seine Geschichte ist eng mit dem Schaffen eines Deutschen verbunden - Abt Miguel Kruse.
21.04.2010
Von Helmut Reuter

Der Kontrast zwischen Laut und Leise könnte kaum stärker sein. Das für brasilianische Verhältnisse altehrwürdige Benediktiner-Kloster São Bento liegt mitten im Herzen der pulsierenden Elf-Millionen-Metropole São Paulo, umtost vom niemals endenden Verkehr und an Samstagen belagert von Straßenhändlern und Bettlern. Seit mehr als 400 Jahren mahnt das Kloster mit seinen mächtigen Glocken zur Ruhe und Einkehr. Seine Geschichte ist eng mit dem Schaffen eines Deutschen verbunden, denn es war der umtriebige Abt Miguel Kruse, der Anfang des 20. Jahrhunderts das Kloster-Gebäude neu errichten ließ und für die Benediktiner São Paulos und Brasiliens eine maßgebende Rolle spielte.

Auch der Papst logierte in dem Kloster

"Dom Miguel Kruse ist aus unserem Orden nicht wegzudenken", sagt der Prior, der zweite Mann des Klosters, Dom João Evangelista Kovas. Er beschreibt den aus dem Westfälischen stammenden und 1907 zum Abt ernannten Kruse als einzigartigen Intellektuellen und streitbaren Mann mit unvergleichbarer Vitalität. Er kümmerte sich nicht nur um die deutsche Auswanderergemeinde in São Paulo. "Er wehrte auch in einem viel beachteten öffentlichen Disput Angriffe auf die Kirche und das Kloster ab", erzählt der erst 35 Jahre alte Prior. Der Weg Kruses führte aus Deutschland in die USA über Ecuador nach Brasilien, wo er sich für den Wiederaufbau der benediktinischen Gemeinschaft einsetzte. Unter seiner Amtszeit wurde das Kloster und die Basilika nach Entwürfen des Münchner Architekten Richard Berndl (1875-1955) neu gebaut.

Auch ein weiterer prominenter Deutscher logierte in dem Kloster, wenn auch nur kurz: Papst Benedikt XVI, oder Papa Bento, wie er in Brasilien heißt, verbrachte im Mai 2007 drei Tage im "Mosteiro de São Bento". Die Klostermauern sind dick und halten den Lärm der Straßen fern. Unterhalb des Klosters brausen Tag und Nacht endlose Autokolonnen über die vielspurige Avenida Prestes Maia. Samstags zieht es Hunderttausende Menschen in die "Rua 25 de Março" ganz in der Nähe des Klosters.

Dort tobt eine Konsumschlacht, bei der Straßenhändler fast alles für fünf oder zehn Reais (zwei bis vier Euro) anbieten, vom Ramschartikel bis zur vermeintlichen Rarität. Im Angebot sind auch gefälschte Markenschuhe und falsche Rolex-Uhren, raubkopierte CDs und DVDs, Chanel-Parfüms, Taschen, Handys und auch gestohlene Laptops werden im Flüsterton angeboten. Wenn die berittene Polizei auftaucht, raffen die Straßenhändler flugs ihre auf Laken ausgestreuten Waren zusammen und suchen das Weite.

40 Mönche und Novizen leben in São Bento

Wenige Menschen verirren sich wochentags in die Basilika, um die gregorianischen Gesänge der Mönche im Chorgestühl zu hören. Sonntags zieht die Kirche tiefkonservative Gläubige an, die der Messe nach tridentinischem Ritual folgen, bei der der Priester auf Latein zelebriert und dabei mit dem Rücken zur Gemeinde und dem Gesicht zum Altar steht. Begleitet werden die Antwortgesänge der Gemeinde von den majestätischen Klängen einer gewaltigen Walcker-Orgel mit 6600 Pfeifen. Auch sie stammt aus Deutschland wie auch der Organist, Heinrich W. Borgert (69), der Kirchenmusik studierte und virtuos über die vier Manuale der Orgel streicht. "Den Organisten mitgezählt, hat die Orgel 6601 Pfeifen, sage ich immer", scherzt der humorvolle Professor der Musikgeschichte leise, während im Altarraum dicke weiße Rauchschwaden aus dem silbernen Weihrauchfass in die Höhe steigen.

Derzeit sind etwa 40 Mönche und Novizen in dem Kloster, dessen Abt, Mathias Tolentino Braga, mit Mitte 40 noch sehr jung ist für einen Abt. Im vergangenen Jahr verstarb der letzte deutsche Mönch im Alter von 96 Jahren, erzählt Prior João Evangelista. Die Mönche leben nach dem Regelwerk des Heiligen Benedikt von Nursia und dem Grundsatz "Ora et Labora", Bete und Arbeite. Sie singen die 150 Psalme gemeinsam zu festen Tageszeiten in zwei Wochen. Gearbeitet wird unter anderem in der klostereigenen "Padaria" (Bäckerei) und Brote und Kuchen aus São Bento sind in São Paulo stadtbekannt.

dpa