"Keine Aschewolke gesehen": Erste Heimkehrer in München
Die ersten gestrandeten Urlauber sind zurück. Im Sichtflug haben die Piloten die Touristen nach München gebracht. Die Rückkehrer freuen sich - aber der Sichtflug ist umstritten. Die Pilotenvereinigung Cockpit kritisiert Lufthansa und AirBerlin und fordert Piloten auf, diese Flüge zu verweigern.
19.04.2010
Von Britta Schultejans

Dass sie ihren Geburtstag zu Hause feiern kann, ist für die kleine Sophia aus Karlsruhe das größte Geschenk. Mit ihren kleinen Sandalen in der Hand und einem bunten Sonnenhut auf dem Kopf stürmt die frisch gebackene Fünfjährige aus der Tür am Münchner Flughafen - gefolgt von ihrer Mutter Hazel Landry, die sich ein bisschen langsamer bewegt, aber nicht weniger froh ist.

"Wir sind überglücklich", ruft die 36-Jährige. Mutter und Tochter saßen im ersten Flugzeug, das mit Sondergenehmigung wieder auf deutschem Boden landete, nachdem die Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull den gesamten deutschen und europäischen Luftverkehr ins Chaos gestürzt hatte. Zwei Tage saßen die beiden auf Mallorca fest ­ dann kam die gute Nachricht: Es geht gen Norden.

"Zwei Wochen Ballermann hält doch keiner aus"

Nach Salzburg sollte die Maschine aus Palma zunächst fliegen, erst während des Flugs entschied sich, dass der Air Berlin-Flieger in München landen wird. «Gott sei Dank! ­ Salzburg wäre eine Katastrophe für uns gewesen», sagt Landry. «Aber so können wir Sophias Geburtstag heute Abend zu Hause feiern.» Mit dem Zug soll es von München nach Karlsruhe gehen. "Heute Abend wollten die im Hotel auf Mallorca eigentlich noch einen Kuchen backen, aber wir wollten lieber nach Hause."

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Hazel und Sophia Landry gehören zu den rund 170 Glückspilzen, denen ihre Reiseveranstalter einen Platz im Flugzeug nach München zugeteilt haben. Auch Michaela Hinkel aus Freiburg gehört dazu. "Der Reiseveranstalter hatte unsere Handynummer, darum konnten sie uns leicht erreichen und dann ging alles ganz schnell. Wir haben die Koffer gepackt und los ging's". Ein paar Urlaubstage mehr hätten ihr zwar nichts ausgemacht, "aber zwei ganze Wochen Ballermann, das hält doch keiner aus."

Glückliche Gesichter zeigen sich den zahlreichen Journalisten, die am Flughafen auf die Heimkehrer warten. Die Freude darüber, wieder auf heimischem Boden zu sein, lässt die meisten Fluggäste den Stress und das tagelange Warten vergessen. Familie Kuhlmann aus Neumünster im hohen Norden strahlt regelrecht. Vater Dieter trägt einen Strohhut auf dem nach drei ungeplanten zusätzlichen Urlaubstagen etwas sonnenverbrannten Haupt und verkündet vergnügt: "Unser Auto steht am Hamburger Flughafen, ­ aber das schaffen wir auch noch." Viele andere Passagiere wurden von ihren Reiseunternehmen in Bussen untergebracht.

"Keine Aschewölkchen gesehen"

Der 32 Jahre alte Martin Hensch aus Stuttgart ist in erster Linie erleichtert. Zusammen mit sechs Freunden hat er am Ballermann den Junggesellenabschied eines Kumpels gefeiert. Die Hochzeit sei am kommenden Samstag, und nach einem bangen Tag des Wartens habe sich schon die Angst breitgemacht, der Bräutigam könne seine eigene Hochzeit verpassen. "Als die ersten Gäste nach Madrid gebracht wurden, haben wir zu ihm gesagt: Du auf jeden Fall zuerst. Jetzt sind wir sogar noch vorher da", sagt Hensch und zieht genüsslich an seiner ersten Zigarette auf heimischem Boden. "Aber er schafft es auf alle Fälle auch bis Samstag. Das ist die Hauptsache."

Auch der zu Hause wartenden Braut sei ein Stein vom Herzen gefallen, sagt Hensch und lacht: "Der Junggesellenabschied war auf jeden Fall unvergesslich." Von der Aschewolke habe er übrigens überhaupt nichts gemerkt, betont er. Der "kontrollierte Sichtflug", für den die Maschine eine Ausnahmegenehmigung bekommen hatte, sei nicht anders gewesen als andere Flüge auch. Und das sehen die übrigen Passagiere auch so. "Ich denke, dass alle sich in die Hosen machen wegen nichts", sagt Hazel Landry und zuckt die Achseln. "Es war ein bisschen rumpelig, aber das gibt es ja sonst auch immer mal", sagt Michaela Hinkel. "Der Pilot hat gesagt, er habe kein Aschewölkchen gesehen und wir sollen das weitersagen."

"Cockpit" kritisiert Sichtflug

Bei so genannten "VFR-Flügen" fliegen die Piloten niedriger als beim Instrumentenflug. Sie sind selbst dafür verantwortlich, dass sie nicht mit anderen Flugzeugen zusammenstoßen. Beim Instrumentenflug übernehmen die Fluglotsen diese Aufgabe. Weil die Piloten sich rundum auf Sicht orientieren können müssen, gelten beispielsweise Mindestabstände von Wolken, und geflogen werden darf nur bei gutem Wetter. Dafür sind VFR-Flüge nicht anmeldepflichtig, und es können weniger Flugzeuge unterwegs sein als bei der Steuerung durch Fluglotsen.

Die Pilotenvereinigung Cockpit kritisierte die Sichtflüge: "Entweder ist der Luftraum sicher oder er ist es nicht. Dann ist es letztlich egal, nach welchen Regeln man da durchfliegt", sagte Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg. Es sei ein Fakt, dass Asche in der Luft ist, "die sich auf die Triebwerke auswirkt". Cockpit verlangt, dass mindestens die Ergebnisse des Messfluges des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) abgewartet werden sollten. Die Vereinigung prüft laut Handwerg eine Empfehlung an ihre Mitglieder, die Sichtflüge abzulehnen. Da aber eine behördliche Ausnahmegenehmigung vorliege, könne dies möglicherweise arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Laut Betriebshandbuch der Lufthansa sei Sichtflug nicht erlaubt.

dpa