Strittig sei, ob das Embryonenschutzgesetz ein nachträgliches Auftauen der Zellen verbietet, wenn der Mann bereits tot ist, erklärte der Vorsitzende des Rostocker Gerichts. Die Kammer muss ein Urteil des Neubrandenburger Landgerichts (Az.: 2 O 111/09) prüfen. Dieses hatte der Klinik recht gegeben, die die Eizellen nicht mehr freigeben will.
"Es ist eine ungeheuer schwierige Entscheidung", betonte der Richter. Die 29 Jahre alte Klägerin hatte im Frühjahr 2008 neun befruchtete Eizellen in dem Krankenhaus einlagern lassen. Auch nach dem tödlichen Motorradunfall ihres Mannes wenige Monate später hielt sie an ihrem Kinderwunsch fest. Weil nach gültiger Gesetzeslage ein Auftauen tiefgefrorener Eizellen nach dem Tod des Mannes strafbar ist, verweigerte die Klinik die Herausgabe. Das Neubrandenburger Gericht erklärte das für rechtens, die Frau legte Berufung ein.
Wann ist die künstliche Befruchtung beendet?
Die Anwältin der Witwe erwägt einen Gang nach Karlsruhe, falls die Rostocker Richter den bisherigen Beschluss bestätigen sollten. Grund des "verfassungsrechtlichen Problems" sei über den Einzelfall hinaus die Frage, wann genau eine künstliche Befruchtung abgeschlossen ist. Die Juristin meinte, dies sei schon im Moment des Einfrierens vor der Zellteilung geschehen: "Wenn das Spermium in die Eizelle eindringt, ist der Mensch im Ursprung festgelegt", argumentierte sie.
Dagegen beharrt die Klinik auf ihrer Haltung, dass die Befruchtung noch nicht beendet ist. Mit einer Herausgabe der Eizellen gehe man daher ein strafrechtliches Risiko ein. "Wir haben nichts gegen die Patientin", betonte der Chefarzt der Gynäkologie an dem Krankenhaus, Roland Sudik, "wir wollen uns nur nicht schuldig machen." Für eine verfassungsrechtliche Klärung gebe es keinen Anlass, man begrüße aber "eindeutige Rechtssicherheit". Der Mediziner erklärte, eine mögliche Neuregelung etwa zu Auftau-Fristen nach dem Tod könne grundsätzliche Auswirkungen auf alle Verfahren zur Konservierung von Sperma haben.
Juristisches Neuland: Es gibt keine Präzedenzfälle
Die Vertreterin der Klägerin entgegnete, selbst bei Berufung auf das Embryonenschutzgesetz sei es fraglich, warum eine Befruchtung mit dem Samen eines zwischenzeitlich Gestorbenen dem Wohl des Kindes entgegenstehen müsse. "Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass die Identität gefährdet werden kann, nicht muss. Es kommt aufs familiäre Umfeld nach der Geburt an." Zudem gehe es um Persönlichkeitsrechte der Eltern und "den Wunsch, dass etwas bleibt - über den Tod hinaus".
Aus Sicht des Rostocker Gerichts wird mit dem Verfahren juristisches Neuland betreten. Nach Entscheidungen zu ähnlichen Fällen habe man bislang vergeblich gesucht, erklärte der Vorsitzende Richter. Daher sei die Kammer in ihrer Meinung völlig «offen» und müsse sich weiter beraten. "Hier geht es um ganz persönliche Schicksale." Am 7. Mai will das Oberlandesgericht seine Entscheidung bekanntgeben.