TV-Tipp des Tages: "Böses Erwachen"
Als Geigerin Birgit Amberg durch Zufall rausfindet, dass Gatte Frederik (Uwe Ochsenknecht) regelmäßig ein eigens gemietetes Liebesnest aufsucht, stößt sie ihn dort kurzerhand aus dem Fenster.
19.04.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Böses Erwachen", 19. April, 20.15 Uhr im Zweiten

Wenn zwei Frauen denselben Mann lieben, müssten sie einander eigentlich spinnefeind sein. Im Grunde gilt das auch für die beiden Heldinnen dieser schwarzhumorigen Geschichte von Detlef Michel. Weil die Damen aber plötzlich in einem Boot sitzen, beschließen sie auch, in die selbe Richtung zu rudern: weg von der Polizei. Streng genommen ist die Handlung völlig konstruiert, aber dank Michels origineller Auflösung hat der Film unversehens ein ganz anderes Manko: Urs Eggers Inszenierungstempo ist der Geschichte nicht gewachsen.
Und die geht so: Als Geigerin Birgit Amberg (Lisa Martinek) durch Zufall rausfindet, dass Gatte Frederik (Uwe Ochsenknecht) offenbar schon geraume Zeit regelmäßig ein eigens gemietetes Liebesnest aufsucht, stößt sie ihn dortselbst kurzerhand aus dem Fenster. Nicht mit Vorsatz, aber trotzdem folgenreich: Der Seitenspringer fällt direkt ins Koma. Derweil muss sich Frederiks Geliebte, Ilona (Nina Proll), den Nachstellungen ihres eifersüchtigen Mannes erwehren. Kurzerhand schnappt sie sich Birgits Auto, das vor dem Haus mit dem Liebesnest parkt. Das Ehepaar liefert sich eine Verfolgungsjagd durch die Straßen Wiens, bis Ilona den anderen Wagen so geschickt rammt, dass es zum Überschlag mit Todesfolge kommt. Den entsprechenden Unfall inszeniert Egger mit schöner Beiläufigkeit: Man sieht nur im Rückspiegel, wie das Auto aus dem Bild kullert.

Mit Max von Thun und Sophie Rois

Der doppelte Schicksalsschlag ist vor allem in kriminalistischer Hinsicht reizvoll: Birgit ist nun beider Taten verdächtig. Es handelt sich ja sowohl um ihren Mann als auch um ihr Auto. Ilona weiß einen Ausweg: Die Musikerin gesteht den Unfall mit Fahrerflucht und entgeht damit einer Anklage wegen Mordes. Der ermittelnde Kriminalpolizist (Max von Thun), von der ebenso schönen wie wohlhabenden Birgit ohnehin angetan, ist regelrecht froh über ihr Geständnis. Die Sache hat allerdings gleich zwei Haken: Eine zweite Ermittlerin (Sophie Rois) will den Fall nicht einfach nicht zu den Akten legen, und sollte Frederik aus dem Koma erwachen, was auch prompt geschieht, könnte er das Kartenhaus mit einem Satz zum Einsturz bringen.

Reizvolle Kontraste

Die Figuren sind hübsch ausgedacht, die Geschichte hat sowieso ihren Reiz; die klassischen Eleganz der mondänen Birgit und der zupackende Charme von Ilona sorgen zudem immer wieder für reizvolle Kontraste. Für eine Komödie hat der Film aber entschieden zu wenig Biss; oft ist das Tempo nicht mal der Dynamik der Musik (Marius Ruhland) gewachsen. Zum Ausgleich sorgt Eggers Führung der Darsteller immer wieder für schöne Szenen; gerade Max von Thun spielt die stille Schwärmerei des Polizisten für die Mordverdächtige ganz wunderbar.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).