Die Vulkanasche aus Island droht den Luftverkehr in Deutschland und vielen Teilen Europas noch das gesamte Wochenende lahmzulegen. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) in Langen entschied am Samstagvormittag aufgrund aktueller Wetterdaten, dass der Luftraum über Deutschland zunächst bis Sonntagmorgen 08.00 Uhr gesperrt wird. Möglicherweise können aber am gesamten Sonntag keine Maschinen von deutschen Flughäfen abheben. "Es sieht im Moment nicht gut aus", sagte ein Sprecher der DFS.
Der Hamburger Flughafen bleibt wegen der Aschewolke aus Island bis Sonntagnachmittag gesperrt. "Bis Sonntag um 14 Uhr wird es keine Starts und Landungen geben", sagte Flughafensprecherin Stefanie Harder der dpa am Samstag. Das hätte die Deutsche Flugsicherung entschieden. Betroffen seien am Samstag insgesamt 297 Starts und Landungen und rund 25.000 Passagiere. Sie rät allen Reisenden, nicht zum Flughafen zu kommen, sondern ihre Fluggesellschaften anzurufen und die Flüge umbuchen zu lassen. Der Flughafen bleibt weiterhin geöffnet, kleinere Maschinen, die auf Sicht fliegen, dürfen starten.
Politiker fordern Aufhebung des Nachtflugverbots
Alle 16 internationalen deutschen Flughäfen und die Regionalflughäfen sind derzeit geschlossen. In ganz Europa sitzen tausende Flugreisende fest. Bis zu einer Normalisierung dürfte es Tage dauern. Hunderte Menschen verbrachten die Nacht am größten deutschen Airport in Frankfurt auf Feldbetten. Auf ihrem Weg nach Süden sorgte die Aschewolke inzwischen auch in Norditalien dafür, dass Flugzeuge am Boden bleiben müssen.
Um beim Wiederanlaufen des Flugverkehrs eine möglichst rasche Normalisierung zu ermöglichen, fordern Politiker eine kurzfristige Aufhebung des Nachtflugverbots. Der CDU-Verkehrsexperte im Bundestag, Dirk Fischer, sagte der "Bild"-Zeitung: "Wenn wartenden Passagieren damit geholfen werden kann, sollte das Nachtflugverbot vorübergehend aufgehoben werden." Auch sein FDP-Kollege Patrick Döring sagte, "es muss schnellstmöglich eine Rückkehr zum normalen Flugplan geben." Ähnlich äußerten sich die CDU-Verkehrsexpertin Daniela Raab und der stellvertretende SPD-Fraktionschef Florian Pronold.
WHO warnt Menschen mit Asthma oder Bronchitis
Die für den Flugverkehr erhoffte Entwarnung aus Island blieb vorerst aus. Der Gletschervulkan stieß auch am Samstag weiter eine gewaltige Säule mit Rauch und Asche in die Atmosphäre. Wie das Meteorologische Institut in Reykjavik mitteilte, wurden in der Nacht keine Veränderungen der Aktivitäten unter dem Eyjafjalla-Gletscher beobachtet. Der Wind weht weiter in südliche Richtung. Das bedeutet, das die Aschewolke weiter auf den europäischen Kontinent zutreibt. Ein DFS-Sprecher sagte, die riesige Aschewolke nach dem Vulkan-Ausbruch auf Island habe sich mittlerweile in Richtung Südosten stark ausgedehnt.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wies darauf hin, dass Menschen mit Asthma, Bronchitis oder Lungenaufblähung wegen der Miniteilchen in der Aschewolke Probleme bekommen könnten. Allerdings nur, wenn die kleinen Partikel, die zurzeit noch in hoher Höhe fliegen, auf die Erde fallen. "Wer draußen etwas in Rachen oder Lunge spürt, eine laufende Nase oder juckende Augen bekommt, sollte ins Haus gehen und seine Aktivitäten draußen begrenzen", teilte WHO-Gesundheitsexpertin Maria Neira mit.
Nacht auf Feldbetten
Wie ein Sprecher des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport am Samstagmorgen berichtete, verlief die Nacht für mehrere hundert an dem Airport gestrandete Reisende ruhig. Rund die Hälfte der insgesamt 1.400 im Flughafengebäude aufgestellten Feldbetten sei belegt gewesen. Die Reisenden wurden mit Essen und Trinken versorgt.
Am Freitag waren etwa 60 Prozent der etwa 28.000 Flüge in Europa ausgefallen, in Deutschland etwa 7.000 von sonst 10.000. Neben den circa zwei Dutzend Flughäfen in Norditalien, darunter Mailand, Turin, Venedig und Bologna - stellten ab Samstagmitternacht auch die Schweizer Airports den Betrieb ein. Der Flughafen Zürich hatte schon zweieinhalb Stunden vorher dichtgemacht.
Reiseveranstalter streichen alle Flüge
In Großbritannien und Belgien bleibt der Luftraum bis mindestens Samstagabend gesperrt. Die britische Luftverkehrsbehörde weitete am Morgen das Flugverbot bis 19.00 Uhr Ortszeit (2000 MESZ) aus, wie die BBC berichtete. Die belgische Regierung verlängerte das Flugverbot bis mindestens Samstag 20.00 Uhr, wie die Nachrichtenagentur Belga unter Berufung auf das Verkehrsministerium berichtete. Für die nordfranzösischen Flughäfen gilt die Sperrung zunächst bis Samstag um 14.00 Uhr. Davon betroffen sind auch die beiden Pariser Großflughäfen.
Der Ferienflieger Thomas Cook hatte zuvor sämtliche Flüge von deutschen Flughäfen am Samstag gestrichen. Betroffen sind davon Reisen der Veranstalter Neckermann Reisen, Thomas Cook Reisen, Bucher Last Minute und Air Marin, wie das Unternehmen in Oberursel in der Nähe von Frankfurt/Main mitteilte. Es könne kostenlos umgebucht werden. Auch der Ferienflieger Condor hat für Samstag alle Flüge aus Deutschland gestrichen. Die irische Gesellschaft Ryanair kündigte am Freitagabend an, im Norden Deutschlands und in vielen weiteren europäischen Ländern bis mindestens Montag 13.00 Uhr keine Maschinen starten zu lassen.
Massenansturm auf die Bahn
Im Norden Frankreichs und auf den Flughäfen der Hauptstadt Paris dürfen ebenfalls bis Samstagnachmittag keine Flugzeuge mehr starten und landen. Auch im größten Teil Großbritanniens gilt weiter ein Flugverbot, mindestens bis 14.00 Uhr MESZ. Wie die BBC berichtete, dürfen aber in Nordirland, Schottland und über bestimmten Bereichen der Nordsee wieder Flugzeuge fliegen.
Europaweit führte der Ausfall der Flugverbindungen zu einem Massenansturm auf andere Verkehrsmittel. Die Züge waren brechend voll, Mietwagenfirmen freuten sich.
Merkel in Lissabon
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) musste auf ihrer Rückreise aus den USA einen Zwischenstopp in Portugal einlegen und in Lissabon übernachten. Auch die in Afghanistan verletzten Bundeswehrsoldaten konnten nicht in die Heimat zurückgeflogen werden und mussten zunächst in eine Klinik in der türkischen Bosporus-Metropole Istanbul gebracht werden.
Unterdessen stößt der Gletscher-Vulkan Eyjafjalla auf Island weiterhin riesige Mengen Wasserdampf und Asche aus. Wie eine Sprecherin des Meteorologischen Institutes Reykjavik am Freitagabend mitteilte, ergaben neue Messungen eine Höhe der Rauchsäule von acht Kilometern. Die Asche aus dem Vulkan treibe weiter in östlicher und zunehmend in südöstlicher Richtung auf den europäischen Kontinent zu. Ein Ende der Vulkanaktivitäten oder eine massive Änderung der Windrichtung sei nicht abzusehen.
Außerdem werde seit Freitagabend auch wieder vermehrt schwarze Asche in die Atmosphäre geblasen, nachdem die Wolke zeitweise fast nur noch aus Wasserdampf bestanden habe. Die Asche-Partikel sind für Flugzeuge sehr gefährlich. Sie können Schäden an Düsentriebwerken und außen angebrachten Messinstrumenten verursachen und den Piloten die Sicht nehmen.
Geologe: Ende von Vulkanausbruch nicht absehbar
Der isländische Gletschervulkan spuckt nicht zum ersten Mal Asche. Im 19. Jahrhundert brodelte er zwei Jahre lang - von 1821 bis 1823. Ob der Ausbruch jetzt wieder so lange dauern wird, ist nach Ansicht des Geologen Prof. Michael Bröcker von der Universität Münster nicht absehbar. "Man kann da keinerlei seriöse Vorhersagen machen", sagte der Wissenschaftler in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Der Ausbruch kann in einigen Tagen zu Ende sein, er kann aber auch anhalten."
Nach Angaben des Geologen ist die wesentliche Ursache für den heftigen Ausbruch das Zusammentreffen von Lava und Schmelzwasser. "Durch diesen Kontakt verdampft das Wasser explosionsartig, große Mengen an Lava werden in Bestandteile zerlegt, die kleiner sind als zwei Millimeter. Solche Partikel werden als vulkanische Asche bezeichnet."
Der Vulkan unter dem Eyjafjalla-Gletscher hatte am Donnerstag eine elf Kilometer hohe Rauchsäule ausgestoßen, die als Aschewolke auf den europäischen Kontinent getrieben wurde. "Das ist für einen isländischen Vulkan eher ungewöhnlich", sagte Bröcker. Die Vulkane auf Island würden normalerweise nicht explosionsartig ausbrechen. "Solange sie nicht in Kontakt mit Oberflächenwasser kommen, fließen sie relativ ruhig aus."
Derzeit keine Auswirkungen auf Klima
Obwohl der Ausbruch des Vulkangletschers jetzt sehr heftig sei - mit einer verheerenden Eruption des isländischen Laki-Vulkans im Jahr 1783, die das Klima für einige Jahre veränderte, sei er nicht vergleichbar. "Damals war ein etwa 25 kilometerlanges Spaltensystem aufgerissen und hatte eine große Menge Lava ausgestoßen", sagte Bröcker. Als Folge trieb eine riesige Dunstwolke nach Europa. "Anders als jetzt war die Wolke jedoch mit vulkanischen Gasen wie dem giftigen Schwefeldioxid und zum Teil auch mit Fluor-Verbindungen angereichert", erklärte der Geologe. "Dies hatte weitreichende Klimaveränderungen zur Folge. In England etwa hat es extrem heiße Sommer gegeben. Der folgende Winter war dagegen europaweit und in Nordamerika ungewöhnlich kalt."
Erhebliche Auswirkungen auf das Klima seien derzeit nicht zu befürchten. "Es gibt bisher keine Informationen über auffällige Mengen an Schwefeldioxid", sagte Böcker. "Damit ist nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen auch nicht zu rechnen. Im Moment wird im wesentlichen Asche und Wasserdampf freigesetzt. Dadurch wird das Klima nicht verändert."
dpa