Außenseiter gewinnt TV-Duell in Großbritannien
Der Liberaldemokrat Nick Clegg katapultiert sich an die Spitze: Mit 58 Prozent Zustimmung liegt er klar vor den zwei Spitzenkandidaten für das Amt des britischen Premiers.

Plötzlich steht der Außenseiter im Mittelpunkt: Während die zwei Spitzenkandidaten für das Amt des britischen Premiers beim ersten TV-Duell in der Geschichte des Landes eher mittelmäßig abschnitten, hat sich Nick Clegg von den kleineren Liberaldemokraten unerwartet ins Gespräch gebracht. Der amtierende Premier Gordon Brown von der sozialdemokratischen Labour-Partei schlug sich bei der Elefantenrunde am Donnerstagabend zwar besser als erwartet. In den zahlreichen Umfragen, in denen am Freitag das Verhalten der drei Kandidaten analysiert wurde, stand er aber trotzdem an letzter Stelle.

Clegg nutzt seine Chancen

Clegg hingegen katapultierte sich an die Spitze. Nach den größeren Umfragen erhielt er zwischen 40 und 58 Prozent Zustimmung von den Zuschauern, in einer Befragung für die Zeitung "The Times" waren es sogar 61 Prozent. Brown lag mit Werten zwischen 19 und 32 Prozent fast immer am unteren Ende. Cameron schaffte es auf 26 bis 32 Prozent. Einige Zuschauer aber sahen auch gar keinen Sieger: In einer Schnellumfrage des Senders ITV etwa waren das 11 Prozent.

David Cameron von den konservativen Tories wurde vom Publikum meist in der Mitte eingestuft. Seine Präsentation fiel hinter die Erwartungen zurück, die allerdings auch sehr hoch gewesen waren. Während der 59 Jahre alte Brown als eher steif und nicht besonders telegen gilt, wirkt der mit 43 Jahren deutlich jüngere PR-Fachmann Cameron vor der Kamera normalerweise locker und sehr professionell. Clegg - ebenfalls 43 Jahre alt - hatte als Chef der kleinsten der drei großen Parteien des Landes bislang wenig Möglichkeiten gehabt, zur besten Sendezeit vor einem großen TV-Publikum zu sprechen. Er nutzte seine Chance, um den Wahlkampf kräftig aufzumischen.

"Es gibt eine Alternative zu den zwei alten Parteien"

Die Erwartungen an das erste TV-Duell in der britischen Wahlkampf-Geschichte waren extrem hoch gewesen. Am 6. Mai wird gewählt, bisher zeichnet sich ein klares Ergebnis noch nicht ab. Die Tories hatten in Umfragen monatelang in Führung gelegen, der regierenden Labour-Partei waren lange keinerlei Chancen auf eine Wiederwahl eingeräumt worden. In den vergangenen Wochen allerdings holte Labour wieder auf und rückte zum Teil bis auf wenige Prozentpunkte an die Tories heran.

Die Liberaldemokraten liegen bei Werten um die 20 Prozent. Sollte keine der beiden großen Parteien eine absolute Mehrheit bekommen, werden sie aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine Tolerierung durch Cleggs Partei angewiesen sein. Viele Wähler sind nach dem Skandal um Abgeordnete, die skrupellos Spesen abgerechnet hatten, enttäuscht von den großen Parteien. Clegg setzte in der TV-Debatte denn auch ganz darauf, die Liberaldemokraten als Alternative zu vermeintlich korrupten Politikern, die seit Jahren ihre Versprechen nicht halten würden, darzustellen. "Es gibt eine Alternative zu den zwei alten Parteien", sagte Clegg: "Etwas Neues und anderes."

"Es war ziemlich lahm und langweilig"

In den kommenden Wochen bis zum Wahltermin wird es zwei weitere TV-Duelle geben. Bei der Premiere ging es vor allem um Innenpolitik, um Fragen zur Bildung, zum Gesundheitssystem oder zur Wirtschaftskrise. Kommentatoren lobten am Freitag, dass die Debatte tatsächlich neue Inhalte ans Tageslicht gebracht habe und es nicht nur um die Wirkung der Kandidaten gegangen sei.

Ihr Ziel, die Wähler im Wahlkampf mitzureißen, erreichten die Kandidaten aber nach Ansicht von Kritikern nicht. "Es war ziemlich lahm und langweilig", sagte eine Zuschauerin dem Sender BBC. Die Aussagen hätten zu vorbereitet gewirkt. Tatsächlich kam es nicht zu starken Wortgefechten, die Herren blieben Gentlemen. Allerdings waren auch vorher mehr als 70 strenge Regeln festgelegt worden: So durfte das Studio-Publikum nicht applaudieren und sollte auch nicht zum Lachen gebracht werden.

dpa