Pater Eckart in Rio: "Gott hat uns eine Aufgabe gegeben"
Pater Eckart ist ein Franziskanermönch, der mehrere Hilfsprojekte in Rio de Janeiro führt. Sein Einsatz hilft Tausenden von Kindern, der Armut zu entkommen. Von täglichem Essen über einen sicheren Ort für Opfer von Misshandlung und Gewalt bis zu einer privaten Klinik für Bedürftige: "Frei Eckart", wie er in Rio genannt wird, ist unermüdlich am Werken, immer mit Gottes Hilfe im Rücken.
15.04.2010
Von Kathi Haid

Pater Eckart sitzt in seinem Büro hinter dem Schreibtisch, im Krankenhaus von Tijuca, einem Stadtteil Rios. Die Klimaanlage summt. Um ihn herum stapeln sich Anträge, Genehmigungen, Kredite - alles muss von ihm abgesegnet werde. Müde sieht er aus. Von neun Uhr morgens bis 24 Uhr in der Nacht arbeitet er täglich und sogar auf die Mittagspause muss er oft verzichten: "Da trink ich dann eben einen Kaffee" erklärt er und macht eine wegwerfende Bewegung mit seiner Hand. "Wenn ich da rausschaue" sagt er und deutet aus dem Fenster, "da ist die Favela Borel, eine der größten und ältesten Elendsviertel Rios. Wenn ich jeden Tag die Gewalt sehe, da bleibt mir als verantwortungsbewusster Mensch gar keine andere Wahl als etwas zu tun."

Dass er mehr tun musste für die Menschen, fühlte er auch schon damals, vor über 50 Jahren, als er noch als Justiziar in Würzburg arbeitete. In einer Zeitungsannonce stand: "Werde Missionar in Brasilien!". Diesem Aufruf ist er gefolgt, lernte portugiesisch und kam 1959 nach Brasilien, wo er sein Abitur machte. Er studierte Philosophie und Theologie und trat 1957 in den Franziskaner-Orden ein. Dort arbeitete schließlich als Justiziar in Sao Paulo und war 15 Jahre lang Vordenker und Leiter der spirituellen Hochschule seines Ordens in Petrópolis.

"Die Kirche baut auf, sie schließt nicht"

1987 wurde er nach Rio geschickt, als Konkursverwalter einer Klinik. Das Hospital zu schließen kam für ihn jedoch nicht in Frage. "Das Krankenhaus war 400 Jahre alt, das erste das in Rio gebaut wurde. Man kann doch eine so lange Geschichte nicht einfach ignorieren. Die Kirche baut auf, sie schließt nicht", sagt er und schlägt energisch mit der Faust auf den Tisch. "Ich musste die Leute motivieren und natürlich selbst daran glauben" erinnert sich Pater Eckart. "'Wenn wir zusammenhalten, können wir es wieder aufbauen!' habe ich ihnen gesagt."

Über Jahre hinweg pendelte er zwischen Rio und Sao Paulo und zwei Jobs. Nachdem er zwei Herzinfarkte erlitten hatte, entschieden seine Vorgesetzten seinen Wohn- und Arbeitsplatz ganz nach Rio zu verlegen. "Dann haben wir erst die Herzstation und dann die Chirurgie aufgebaut" erzählt der Pater. Nach acht Jahren war die heruntergewirtschaftete Klinik wieder ein funktionierendes Unternehmen (Bild links). Unterstützung bekam er anfangs von der Pax-Bank in Köln, mit der er heute noch kooperiert. "Inzwischen haben wir mit 60 Betten die größte Intensivstation Rios und ein Krankenhaus mit 500 Betten." sagt er energisch und Stolz schwingt in seiner Stimme mit.

Neben den zahlenden Patienten bekommen alle armen Favela-Bewohner eine kostenlose Behandlung in seinem Krankenhaus. "Egal ob Banditen mit Schussverletzung oder kranke Frauen. Vor Gott sind alle gleich", erklärt Pater Eckart und fügt hinzu: "Die Gesundheit ist die Grundvoraussetzung für das Leben, deshalb ist dieses Hospital so etwas wie die Mutterbrust." Im besagten Hospital da Penitencia Tijuca gibt es neben einem Alterswohn- und Pflegeheim auch eine Krankenpflegeschule aus der die Azubis direkt für das Krankenhaus übernommen werden.

Der Glaube ist sein Antrieb

2007 wurde Eckart Höfling (Bild unten) schließlich für seine Arbeit mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande und ein Jahr darauf für sein Lebenswerk mit dem Quadriga-Preis ausgezeichnet. Für seine Projekte hat er engagierte Verwalter gefunden. Das sei das Geheimnis seines Erfolgs, verrät er. Die Fäden laufen alle bei ihm zusammen und er organisiert die Finanzierung: bei der EU, beim BMZ, bei anderen Ordensgemeinschaften, bei den Rotariern in Rio und in Würzburg, den Sternsingern, verschiedenen Stiftungen und seinem Freundeskreis in Deutschland.

Pater Eckarts Antrieb ist sein Glaube und vor allem eine Überzeugung: "Gott hat uns eine Aufgabe gegeben, mit unserer Geburt. Und die erfülle ich. Da gibt es kein 'ich habe keine Lust' oder 'wie soll ich mich motivieren', Ruhestand oder Ferien. Das ist meine Aufgabe und die habe ich einfach zu erfüllen", sagt er. Deshalb nahm er auch, als er das Krankenhaus wieder auf die Beine gestellt hatte, 2002 sein nächstes Projekt in Angriff: Die Humanisierung des Hafenviertels und den Ausbau der Hafenschule.

Die Hafenschule

Das Hafenviertel von Rio de Janeiro ist wie in vielen anderen Städten ein Sammelpunkt von sozialen Randgruppen und Rotlichtmilieu. Der überwiegende Teil der Bewohner lebt unter der Armutsgrenze. Die Schule, die Pater Eckarts Organisation VOT (Venerável Ordem Terceira de São Francisco da Penitência) hier betreut, besteht aus einer Grund- und Hauptschule und seit 2006 auch aus einem Gymnasium. Arme Kinder aus der Hafengegend dürfen sie besuchen, mit einer Bedingung: "Wer hier lernen will, muss interessierter und motivierter sein als andere und wertschätzen, dass sie hier eine gute und kostenlose Bildung aus Spenden bekommen" erklärt Taiza Dell Libera, die Leiterin des Gymnasiums "Sonja Kill".

Die Schule ist begehrt, denn sie hat einen guten Ruf und hier werden neben dem Unterricht auch Werte und Perspektiven vermittelt. "Die Schüler hier haben einen Wissensdurst und einen unglaublichen Willen, aus ihrem Leben etwas zu machen, jemand zu sein, in der Zukunft. Etwas zu erreichen", sagt die Leiterin und ein Schüler berichtet begeistert: "Hierher sind schon Politiker und Touristen gekommen, um uns zu sehen. Das war toll."

Mit seinem Humanisierungsprojekt ermöglicht VOT den Anwohnern Beratung und Fortbildungen, Gesundheitsberatung und psychosoziale Betreuung, Wege aus dem Teufelskreis. Inzwischen will der Bürgermeister das ganze Hafengebiet umgestalten. Eine Universität soll sich dort ansiedeln. Die Uno will eines der Gebäude des VOT beziehen. Doch der 73-jährige Pater Eckart denkt noch nicht ans Aufhören: Eine kleine Fakultät für medizinische Berufe und eine Hotelfachschule im Hafenviertel will er aufbauen.

"Liebe, die einzig heilende Kraft"

Es demotiviert ihn auch nicht, dass er nur einem Bruchteil der Armen in Rio helfen kann. "Der liebe Gott macht auch nicht alles, da muss jeder einen Teil tun. Jesu Christo hat auch nicht alle heilen können." erklärt er.

Wenn der Pater einmal ein paar freie Tage braucht, dann fährt er nach Tanguá, ins Kinderdorf. Und nicht nur der Pater fühlt sich dort wohl. Obwohl die meisten Kinder erst Disziplin lernen, ihre Freiheit gegen feste Essenszeiten, Regeln und Mithilfe bei der Hausarbeit tauschen mussten, möchten sie ihr neues Zuhause nicht hergeben. "Am liebsten würde ich für immer hier bleiben" sagt Roseleide und klingt fast schon ein bisschen wehmütig. Aber sie hat auch schon viele Pläne für ihre Zukunft, für die Zeit nach Tanguá: Krankenschwester will sie werden, vielleicht sogar Medizin studieren.

Für die, die gehen, kommen neue Kinder in das Kinderdorf in Tanguá, wo sie ein Stück heile Welt und Familie erfahren - "und Liebe, die einzig heilende Kraft, die ihr Leben wieder aufbauen kann," sagt Pater Eckart.


Kathi Haid ist freie Journalistin und war einige Monate in Brasilien unterwegs.