Der "Robert Redford" der deutschen Politik könnte morgen zum Intendanten des Bayerischen Rundfunks gewählt werden. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, "ein Mann mit blauen Augen und jungenhaftem Charme" ("Bunte"), würde dann ab 2011 Thomas Gruber nachfolgen, der auf eigenen Wunsch vorzeitig aus dem Amt scheidet.
Kaum war die Personalie vor einigen Wochen aus dem weiß-blauen Sack, hagelte es Kritik. Der bayerische FDP-Fraktionschef Thomas Hacker erklärte, er finde es "hinterfragenswert, ob man direkt aus einer politischen Funktion an die Spitze des Bayerischen Rundfunks wechseln sollte". Die Grünen äußerten gar, die Personalie klinge "nicht nach Staatsferne, sondern nach Staatsnähe und Amigowirtschaft".
Fehlende Ehrlichkeit
Was die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angeht, mangelt es in der Debatte an Ehrlichkeit. Man kann es klar sagen: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist zwar laut Verfassung staatsfern, tatsächlich aber ziemlich staatsnah. Das ist hier und da etwas ärgerlich, unter dem Strich aber auch nicht tragisch. Worauf es nämlich ankommt: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist längst kein Regierungs-TV. Im Gegenteil: oft nimmt er seine Aufgabe als Kontrolle der Mächtigen besser wahr als etwa die Opposition in Bund und Ländern.
Für die Außenwirkung ist es sicherlich suboptimal, einen Regierungssprecher direkt zum Intendanten zu machen. Andererseits sollte man für soviel Ehrlichkeit aber beinahe dankbar sein.
Natürlich ist der Bayerische Rundfunk ein CSU-Sender. Überall, wo es um Macht im Freistaat geht, kommt man an der CSU nicht vorbei. Der BR-Rundfunkrat, der den Intendanten wählt, ist überwiegend mit CSU-Mitgliedern oder Funktionären, die der CSU nahestehen, besetzt. Das hat sehr viel mit Demokratie zutun, weil die CSU seit Jahrzehnten haushohe Mehrheiten im Freistaat hält und dadurch vom Volk legitimiert ist, über wichtige Schlüsselpositionen zu entscheiden. Daran ändert auch die momentane Schwäche der Seehofer-Truppe nichts.
Gute Beziehungen zur CSU
Vor diesem Hintergrund ist klar, dass BR-Intendant nur werden kann, wer über gute Beziehungen zur CSU verfügt. Unsere Gesellschaft funktioniert weitgehend nach dem Prinzip, dass höhere Posten vor allem über Netzwerke verteilt werden. Dass gilt nicht nur für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern auch für die meisten anderen Organisationen – Ausnahmen bestätigen nur die Regel! Leistung allein lohnt sich eigentlich nirgends, es müssen schon andere, äußere Umstände hinzukommen. Man kann das bedauern und kritisieren, an der Realität ändert es nichts.
Staatsfern im Sinne von parteifern wird ein Intendant des BR daher nie sein können, vermutlich auch kein Intendant irgendeines anderen Senders. Die Frage, ob ein letztlich von Parteien bestimmter Intendant einen guten Job macht, steht aber auf einem anderen Blatt.
Und hier spricht viel für Wilhelm. Er ist nicht nur Merkels Nachrichtenverkäufer, sondern immerhin Absolvent der Deutschen Journalistenschule, womit ihm eine gewisse Ahnung von der Materie Journalismus unterstellt werden darf. Was seine Führungsqualitäten angeht hört man eigentlich nur Gutes. Man darf auch davon ausgehen, dass Wilhelm, ein Jurist mit Prädikatsexamen, in der Lage ist, einen Sender mit rund 3.000 festen Mitarbeiten und einem Jahresetat von knapp einer Milliarde Euro effizient zu führen. Vor allem aber ist Ulrich Wilhelm ein Mann, der aufgrund seiner guten Kontakte in höchste Ämter ein gewisses "Format" hat. Auf dieses Format kommt es an!
Richtiges "Format"
Wer Wilhelm verhindert, tut der "Staatsferne" - tatsächlich geht es um Regierungsferne! - des Bayerischen Rundfunks vielleicht keinen Gefallen. Kaum vorstellbar nämlich, dass Wilhelm sich von Horst Seehofer die Inhalte des BR-Programms diktieren ließe. Ob dies auch bei anderen möglichen Kandidaten der Fall wäre, ist zumindest offen.
Wer mit dem Argument der "Staatsferne" einen Intendanten verhindern will, muss letztlich die Systemfrage stellen. Wer soll den Intendanten wählen, wenn nicht ein Rundfunkrat? Und wer soll darüber entscheiden, wer im Rundfunkrat sitzt? Wer glaubt, es reiche schon, Politiker aus den Gremien fernzuhalten, irrt sich. Jeder Mensch ist letztlich auch politisch und steht einer Partei nahe. Auch sogenannte Experten sind nicht unabhängig oder unpolitisch. Es geht immer um Macht und Einfluss. Politiker kann man aber anders als Funktionäre von Verbänden wenigstens noch höchstpersönlich selbst abwählen.
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Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de und betreut die Ressorts Medien und Kultur