TV-Tipp des Tages: "Schlaflos in Oldenburg"
.Das Erste zeigt heute eine Liebesgeschichte, in der die Protagonisten nicht so recht zusammen finden. Zu viele Wunden hat das Leben bei ihnen bereits hinterlassen. Aber: "Wunder gibt es immer wieder."
14.04.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Schlaflos in Oldenburg", Mittwoch, 14. April, 20.15 Uhr in Das Erste

Es ist durchaus nicht so, dass Schlager in diesem Film eine besondere Rolle spielen würden. Aber weil Kommunikationstrainerin Lis eine Karaoke-Version von Joy Flemings Hit "Ein Lied kann eine Brücke sein" einsetzt, um die verfeindeten Abteilungen des Oldenburger Stadtarchivs miteinander zu versöhnen, darf man ruhig auch Katja Ebstein zitieren: "Wunder gibt es immer wieder". Selbst wenn es etwa übertrieben wäre, den Schlagertitel gleich auf den ganzen Film zu münzen, so trifft er zumindest doch den Kern der Handlung: Zwei Menschen um die fünfzig haben nach schmerzhaft gescheiterten Beziehungen den Traum von der großen Liebe begraben und fürchten sich nun davor, ihren Gefühlen zu trauen.

Es ist beiliebe keine große Geschichte, die Autorin Katrin Ammon und Regisseur Johannes Fabrick erzählen; aber dass beide gar nicht erst versuchen, sie zu überhöhen, macht den Film sehr sympathisch. Das gilt auch für Hauptfiguren und Handlungsort. Es mag ungewöhnlich sein, einen Film ausgerechnet im niedersächsischen Oldenburg zu drehen, doch die Stadt ist genauso normal wie Jan (Hannes Jaenicke) und Lis (Suzanne von Borsody): Er ist Kantinenkoch, sie Kommunikationstrainerin. Er lässt sich gern treiben, sie hätte Angst, dabei verloren zu gehen. Er leidet darunter, dass seine halbwüchsige Tochter den neuen Lebensgefährten ihrer Mutter als Vaterersatz akzeptiert hat und nichts mehr von ihm wissen will. Sie hat vor einiger Zeit rausgefunden, dass ihr Mann seit vier Jahren nicht bloß eine Affäre, sondern auch ein Kind hat.

Wunden des Lebens

Bei beiden hat das Leben also seine Wunden hinterlassen. Kein Wunder, dass sie trotz nicht zu übersehender gegenseitiger Anziehungskräfte vor dem letzten Schritt zurückschrecken. An Wunder glauben sie ohnehin nicht mehr. Außerdem hat Jan ein Verhältnis mit Andrea (Erika Marozsàn), der hübschen Buchhalterin des Stadtarchivs.

Suzanne von Borsody und Hannes Jaenicke passen prima zueinander und spielen das Vor und Zurück von Lis und Jan auch sehr hübsch. Trotzdem sind es nicht zuletzt die Nebenfiguren und Randnotizen, die dem Film seinen Charme verleihen, etwa die traurige Geschichte einer Beamtin, die ihren Kolleginnen seit Jahren einen Gatten vorgaukelt, um ihre Einsamkeit zu kaschieren; oder die Idee, den begnadeten Koch mehrfach zu Haushaltsauflösungen zu schicken, wo er sich handgeschriebene Rezepte besorgt, die er dann in der Kantine ausprobiert.

Bloß der Titel ist etwas irreführend. Sieht man davon ab, dass beide Filme Romanzen sind, gibt es keinerlei Parallelen zu "Schlaflos in Seattle". Warum es andererseits nachts so hell ist, als schiene die finnische Mitternachtssonne, wird nicht weiter erklärt; so weit im Norden liegt Oldenburg nun auch wieder nicht. Immerhin führt die Helligkeit zu dem netten Einfall, dass sich Lis eines nachts, als sie auf Jans Couch wegen des Lichts von draußen nicht einschlafen kann, ihre Socken über die Augen legt.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).