Saudischer Klerus stellt sich gegen den Terror
Seit zwölf Jahren schon überzieht das Terrornetzwerk Al-Kaida den Globus im Namen des Islam mit Autobomben, Hassbotschaften und Selbstmordanschlägen. Die maßgeblichen Religionsgelehrten in Saudi-Arabien, dem Land der heiligen Stätten des Islam, haben dazu lange geschwiegen. Sie duldeten, dass dubiose "Wohltätigkeitsorganisationen" vor ihren Moscheen Geld sammelten, das teilweise zur Finanzierung von Terroranschläge benutzt wurde. Damit soll jetzt endgültig Schluss sein.
13.04.2010
Von Anne-Beatrice Clasmann

Am vergangenen Samstag versammelten sich die 20 Mitglieder des Obersten Rates der Religionsgelehrten von Saudi-Arabien zu einer geheimen Sondersitzung. Fast drei Tage lang debattierten sie hinter verschlossenen Türen darüber, was "Terrorismus" ist und was nicht. Am Montag unterzeichneten sie schließlich gemeinsam die erste offizielle saudische "Fatwa" (islamisches Rechtsgutachten) gegen den Terrorismus.

Das Dokument, das am Dienstag von einigen arabischen Medien in Auszügen veröffentlicht wurde, ist brisant, weil die einflussreichen Prediger darin zum ersten Mal Farbe bekennen. Die überregionale arabische Tageszeitung "Al-Sharq Al-Awsat" schrieb am Dienstag, diese Fatwa sei ebenso "wichtig wie einmalig". Die Religionsgelehrten kamen unter der Leitung von Scheich Abdulasis Al-Alscheich, dem Mufti des islamischen Königreichs, zusammen. Und sie stellen fest, dass nicht nur derjenige "kriminell handelt", der einen Terroranschlag verübt, sondern auch jeder Muslim, der Terrorgruppen "finanziell oder moralisch unterstützt".

Gutes tun im Namen des Islam durch Spenden oder Krankenhäuser

Wer im Namen des Islam Gutes tun wolle, solle sich künftig bitte darauf beschränken, für die Armen zu spenden oder Schulen und Krankenhäuser zu bauen. Dass einige der Bomber von heute einst in Koranschulen, die mit Spenden aus Saudi-Arabien finanziert wurden, von intoleranten Scheichs zum Hass auf den Westen erzogen worden waren, ließen die Gelehrten jedoch unerwähnt.

Dass sich die Religionsgelehrten überhaupt versammelt haben, um über Terror und Schuld zu sprechen, geht auf eine Initiative des Schura-Rates zurück. Der saudische Schura-Rat ist eine Art Parlament ohne echte Machtbefugnisse, dessen Abgeordnete vom König ernannt werden. König Abdullah hatte sich in den vergangenen Jahren schon mehrfach über extremistische Fatwas einzelner Gelehrter geärgert. Einen von ihnen, Scheich Saad al-Schithri, hatte er im vergangenen Herbst sogar aus dem Obersten Rat der Religionsgelehrten entfernt.

Doch anders als in Syrien, Tunesien, der Türkei oder Ägypten, wo der staatlichen Einfluss auf den Klerus sehr groß ist, sind die islamischen Gelehrten in Saudi-Arabien in ihren Meinungsäußerungen relativ unabhängig. Sie haben ihre eigene Machtbasis. Das Wort eines bekannten Geistlichen hat im Land der heiligen Stätten von Mekka und Medina, wo auf den islamischen Religionsunterricht mehr Schulstunden entfallen als auf Physik und Chemie, oft mehr Gewicht als das Wort eines Prinzen oder Ministers.

dpa