"T-DSL 768 ade - alle dürfen künftig schneller surfen", frohlockte das Fachblatt PC-Welt. "Schon bald" erhielten T-Com-Kunden "automatisch einen Anschluss mit einem Megabit pro Sekunde". Das sei Teil einer Produktstrategie für "die Bedürfnisse des Marktes", tönte der T-Com-Manager Josef Brauner.
Das war Anfang 2004. Nur drei Monate später trat Brauner im Zusammenhang mit dem Milliarden-Desaster um die technische Einführung der deutschen Lkw-Maut zurück. Auf die schnellen Internetzugänge warten die DSL-gebremsten T-Com-Kunden ebenfalls noch immer: Er wohne nur "einen Steinwurf vom ZDF-Gelände entfernt", grollte in diesen Tagen der Internetnutzer "Günni" in einem Leserforum, könne aber lediglich mit vergleichsweise langsamen 768 Kilobit pro Sekunde surfen. "Das kann doch nicht wahr sein", so der Nutzer, der inzwischen von T-Com zu einem Kabelanbieter wechselte. Der bietet ihm die fast 42-fache Geschwindigkeit, noch dazu billiger.
Ende eines Dauerärgernisses in Sicht?
Hunderttausenden von Nutzern abseits der Stadtzentren bleibt aber sogar die Möglichkeit versagt, per Kabel zu surfen. Für die großen Netzbetreiber lohnt es sich schlicht nicht, dünn besiedelte Gegenden aufzugraben und teure Glasfasernetze zu verlegen. Auch aufwendige Satellitenlösungen kommen für die wenigsten Haushalte in Frage.
Das Problem soll sich in absehbarer Zeit sozusagen in Luft auflösen. Mit der Umwidmung der Mobilfunkfrequenzen surfen mobile Internetgeräte wie iPhone & Co. deutlich komfortabler. Schnelle Internetzugänge werden unabhängig von der Entfernung zum nächsten Netzverteilerpunkt endlich verfügbar.
Seit diesem Montag versteigert die Bundesnetzagentur die von ihr vergebenen Lizenzen. T-Mobile, Vodafone, E-Plus und Telefónica O2 dürfen sich am Rennen um die begehrten Frequenzen beteiligen.
Geldmaschine …
Ein Teil der 41 Frequenzblöcke wurde mit dem Ende des Antennen-verbreiteten Fernsehens frei. Der große Vorteil dieser Frequenzen aus dem 800-Megahertz- Bereich: Sie verfügen aus physikalischen Gründen über eine größere Reichweite. Die Netzanbieter müssen also nicht - wie bei den bisherigen Handy-Stationen - im Abstand von wenigen hundert Metern ständig neue Masten installieren. Damit lohnt sich die Versorgung von dünn besiedelten Gebieten erstmals.
Die funkgestützten Internetanschlüsse ermöglichen den neuen Übertragungsstandard der vierten Generation namens Long Term Evolution ("langfristige Entwicklung"/LTE) und sind um die hundertmal schneller als die alten ISDN- oder Modem-Anschlüsse. LTE gilt als Zukunftstechnologie und potenziell als Milliardengeschäft.
Doch für wen? Kritiker verweisen auf die aufsehenerregende UMTS-Frequenzversteigerung vor zehn Jahren. Der damalige Finanzminister Hans Eichel freute sich über einen Erlös von rund 50 Milliarden Euro - das Fünffache des erwarteten Betrags - und definierte UMTS fortan als "Unerwartete Mehreinnahme zur Tilgung von Staatsschulden".
… oder Milliardengrab
Die Freude beim Volk über den Geldsegen war freilich trügerisch. Denn die teuerste Auktion der deutschen Geschichte ist mit ein Grund dafür, wieso bis heute Telefonate vom Festnetz zu Mobiltelefonen hierzulande im Schnitt zwanzigmal so teuer sind wie beispielsweise in den USA. Auch der Preis für eine SMS, deren Datenvolumen verschwindend gering ist, grenzt an Wucher. Was trotzdem verständlich ist: Die Telefonkonzerne versuchen, damit ihre horrenden Kosten nach und nach wieder einzuspielen.
2010 rechnen Brancheninsider mit einem Versteigerungserlös von nur etwa fünf Milliarden Euro, doch auch dieser Betrag wird über das Geschäft der kommenden Jahre refinanziert. Und die Einnahmen werden aller Voraussicht nach wie im Jahr 2000 zur Begleichung von Staatsschulden verwendet.
Die Kleinen müssen aufrüsten
Während Umweltschützer wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland vor dem wachsenden Elektrosmog durch immer mehr Funkmasten warnen, geht mit den neuen Internetfrequenzen geht noch weiterer Ärger einher. Sie umfassen nämlich auch das Spektrum, das die Funkmikrofone und -verstärker der Veranstaltungstechniker nutzen.
Seit die Weltradiokonferenz 2007 beschloss, die Frequenzen im sogenannten UHF-Bereich neu zu vergeben, herrscht darum bei Musikern und Tontechnikern Alarmstimmung: Da es eine klare Hierarchie für Frequenznutzungen gibt, dürfen die meist kleinen und mittelständischen Unternehmen ihre herkömmlichen schnurlosen Mikrofone und In-Ohr-Verstärker künftig nicht mehr benutzen. Das betrifft die Brachial-Rocker Rammstein bei den diesjährigen Open-Air-Events ebenso wie die Gospelgruppe beim Sommerfest der Kirchengemeinde. Kunstgaleristen, Stand-up-Comedians, Pfarrer - sie alle brauchen neue Anlagen.
"Ein Riesenproblem" sei das für die Veranstalter, sagt Rolf Bolwin, Direktor des Deutschen Bühnenvereins. Schätzungen zufolge kämen auf die Kulturbranche Kosten von mehreren hundert Millionen Euro zu. Zwar dürfen die bestehenden Funkanlagen offiziell bis 2015 genutzt werden. Aber sobald eine Theater- oder Musicalaufführung den Handy- oder Internetempfang stört, müssen die Mikrofone unverzüglich abgeschaltet werden. Notfalls während der laufenden Vorstellung.
Der Fortschritt kommt zu Fuß
Einen Trost allerdings gibt es sowohl für Elektrosmog-Sensible wie für Musiker: Ganz so schnell wie von den Netzbetreibern suggeriert kommt das schnelle, mobile Internet nicht. Schätzungsweise fünf Jahre wird es mindestens dauern, bis LTE mit einer Leistung von bis zu 100 Megabit pro Sekunde flächendeckend angeboten wird.
Schon jetzt geht zwar jeder fünfte Internet-Nutzer mit mobilen Computern online, jeder zehnte sogar mit dem Handy. Aktuellen Geräten wie dem iPad von Apple oder modernen Handys fehlt aber die Fähigkeit zum Empfang der neuen Frequenzen. Das können erst Geräte einer nächsten Generation.
World wide web? In vielen Landstrichen übersetzt man WWW auch weiterhin mit "weltweites Warten".
Thomas Östreicher ist freier Journalist in Hamburg und Frankfurt.