Bestseller-Autor Lütz findet Zölibat "merkwürdig"
Der Bestseller-Autor Manfred Lütz hat davor gewarnt, aufgrund der Welle von bekannt gewordenen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche vorschnell zu urteilen.

"Der Zölibat ist eine merkwürdige Lebensform, deswegen irritiert er die Leute so", sagte der katholische Theologe und Psychiater dem Evangelischen Pressedienst (epd). Statistisch gesehen komme der Missbrauch von Kindern durch nicht-zölibatär lebende Männer in der restlichen Gesellschaft viel häufiger vor. Dabei verwies Lütz auf eine Äußerung des Direktors des Instituts für Forensische Psychiatrie der Freien Universität Berlin, Hans-Ludwig Kröber. Danach ist die Wahrscheinlichkeit des Kindesmissbrauchs durch katholische Priester 36 Mal geringer als bei nicht-zölibatären Männern. Kröbers Berechnungen sind jedoch nicht unumstritten.

"Allerdings ist der Missbrauch durch katholische Priester viel schlimmer", sagte Lütz weiter. "Denn der Priester ist zugleich in einer Vaterrolle, so dass dem Missbrauch auch etwas Inzestuöses anhaftet." Lütz wies darauf hin, dass Pädophile den Pflichtzölibat gern als Ausrede vorschöben: "Täter verfügen nicht selten über eine perfide Fähigkeit, die Verantwortung für das, was sie getan haben, von sich wegzuschieben und sich selbst als Opfer der Verhältnisse darzustellen."

Pädophilie nicht frühzeitig feststellbar

Mit Blick auf die Ursachen von sexuellem Missbrauch erklärte Lütz, es seien weder die gesellschaftlichen noch die kirchlichen Verhältnisse, die Kinderschänder hervorbrächten. "Genauso wenig ist es wahlweise allzu repressiver oder allzu permissiver Umgang mit Sexualität." Pädophile suchten sich Berufe aus, bei denen sie in Kontakt mit Kindern kämen, sagte der Theologe und Psychiater. Leider gebe es noch keine seriösen psychologischen Tests, mit denen man eine solche Orientierung zeitig feststellen könne. Lütz ist Autor des Buches "Irre - Wir behandeln die Falschen", das zurzeit in den Bestsellerlisten steht.

epd