TV-Tipp des Tages: "Der letzte Bulle"
Sat.1 startet eine neue Serie: Ein Polizist fällt in den 80er Jahren ins Koma und wacht erst 20 Jahre später wieder auf. Mit den neuen Gegebenheiten wie Handy und DNA-Test hat er so seine Probleme.
12.04.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Der letzte Bulle", Montag, 12. April, 20.15 Uhr in Sat.1

Sat.1 hat bereits bei diversen Fernsehfilmen großes Geschick darin bewiesen, erfolgreiche Kinovorbilder in entscheidenden Aspekten zu verändern und auf diese Weise neu zu erfinden. Nun ist im Auftrag des Senders erstmals eine TV-Serie variiert worden: In der britischen Produktion "Life on Mars" hat ein Detective einen Unfall; als er wieder zu sich kommt, befindet er sich aus nicht weiter geklärten Gründen in den Siebzigern. "Der letzte Bulle" funktioniert genauso, nur in die andere Richtung und viel plausibler: Ende der Achtziger ist ein Essener Polizist nach einem Kopfschuss ins Koma gefallen. Zwanzig Jahre später wacht er wieder auf und findet sich in einer Ära wieder, in der die liebgewonnenen Verhältnisse auf den Kopf gestellt sind: Männer sind zu Frauenverstehern geworden, Frauen haben Führungspositionen erobert, Cowboy-Stiefel sind out. Von einem gewissen Fremdeln gegenüber technischen Errungenschaften wie mobilen Telefonen, Internet und dem DNA-Test ganz zu schweigen.

Im Grunde kann es für die Rolle des kernigen Titelhelden, gegen dessen Macho-Charme die Damen bei Weitem nicht so immun sind, wie sie glauben, nur einen geben: Henning Baum, der offenkundig viel Zeit in körperliche Fitness investiert, bringt die nötige Physis für seine Macho-Sprüche mit, bleibt aber trotzdem stets Sympathieträger. Außerdem ist er gebürtiger Essener. Für Sat.1 war Baum schon in der Serie "Mit Herz und Handschellen" erfolgreich. Damals verkörperte er einen schwulen Ermittler. Mick Brisgau hingegen darf sich voll auf die emanzipierte Damenwelt konzentrieren. Vor allem Polizeipsychologin Haffner (Proschat Madani) ist hin und hergerissen zwischen Empörung und Erregung.

Ein alter Opel

Mag sein, dass der Handlungsentwurf etwas schlicht klingt, aber er entspricht damit perfekt Brisgaus Weltbild, das allerdings immer wieder ins Wanken gerät. Dass Queen-Sänger Freddy Mercury an Aids gestorben ist, weil er schwul war, passt da beispielsweise gar nicht hinein. Dass Kaffeemaschinen alles Mögliche produzieren, bloß keine simplen Kaffee, findet Mick auch eher lästig. Und weil ihm die Dienstkarosse extrem wenig zusagt, treibt er tatsächlich seinen alten Opel-Diplomat wieder auf.

Streng genommen ist Baum (Jahrgang 1972) etwas zu jung für die Rolle, und dass Mick kurz nach dem Koma-Ende bereits wieder jede Menge Muskelpakete aufweist, ist auch eher unrealistisch. Angesichts des puren Anachronismus, den dieser Typ im 21. Jahrhundert darstellt, macht das aber gar nichts, zumal Mick in seinem jungen Partner Kringge (Maximilian Grill) einen wunderbar zeitgemäßen Gegenentwurf hat. Der Harte und der Zarte sind ein prima Gespann; auch wenn die Kriminalfälle, die die beiden zu lösen haben, ein bisschen schwach sind. Zum Ausgleich gibt es ganz viel Musik aus den Achtzigern.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).