Die Orgel spielt "Ich hatt' einen Kameraden". Auf ihren Schultern tragen Soldaten die Särge von drei jungen Fallschirmjägern aus der evangelischen St.-Lamberti-Kirche. Das ist ein tränenreicher Moment am Ende des bewegenden Gedenkaktes im niedersächsischen Selsingen bei Bremen, mit dem die Bundeswehrsoldaten am Freitag verabschiedet werden. Sie waren vor einer Woche in Nordafghanistan in einem Feuergefecht mit den radikalislamischen Taliban getötet worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist gekommen und verneigt sich vor jedem einzelnen Sarg.
Merkel erweist dem 35-jährigen Hauptfeldwebel Nils Bruns, dem 25-jährigen Stabsgefreiten Robert Hartert und dem 28-jährigen Hauptgefreiten Martin Augustyniak die letzte Ehre. Die drei Soldaten in den fahnengeschmückten Särgen mit Bundesadler, Stahlhelmen und Ordenskissen waren als Angehörige der in Seedorf stationierten Luftlandebrigade 31 erst seit Mitte März in Afghanistan. Nun gehören sie zu den mittlerweile 39 deutschen Bundeswehrsoldaten, die seit Beginn des deutschen Afghanistan-Einsatzes am Hindukusch gestorben sind, 20 davon im Kampf. "Diese Lücke kann niemand schließen", sagt die Bundeskanzlerin, die zum ersten Mal zu einer solchen Trauerfeier gekommen ist.
Sie übernimmt den politischen Part des Gedenkaktes mit mehr als 2.000 Gästen in und vor der Kirche. Die Regierungschefin betont, dass die Bundeswehr trotz vieler Rückschritte in Afghanistan bleiben werde. "Ich stehe voll dahinter", bekräftigt sie und sagt, die getöteten Soldaten hätten am Hindukusch die Sicherheit Deutschlands verteidigt: "Dafür haben sie den höchsten Preis gezahlt, den ein Soldat zahlen kann. Ich verneige mich vor ihnen, Deutschland verneigt sich vor ihnen."
"Wir stehen erschüttert, tief traurig und so viele auch fassungslos in dieser Kirche", sagt Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Damit spricht er vor allem den Menschen in und um Selsingen aus dem Herzen. Denn die Region pflegt seit mehr als 50 Jahren enge Verbindungen zu den Soldaten der Kaserne, aus der die Toten kommen.
Guttenberg schilderte sichtlich bewegt die Lebensläufe der Getöteten: "Sie haben ihr Leben verloren, als und weil sie im Namen ihres Landes, also auch für uns, überaus tapfer und mutig ihren Dienst geleistet haben." An die Angehörigen und Freunde gewandt sagte der Minister: "Mit ihnen trauert ein Land, nicht verschämt, sondern gottlob offen." Was in Afghanistan geschehe, sei für ihn Krieg. Andere Soldaten kämpften weiter für Sicherheit. Dafür bräuchten sie die Unterstützung und den Rückhalt der deutschen Gesellschaft.
"Der Krieg kommt uns nahe"
Fahnen auf Halbmast, Trauerflore an den Ortseingangsschildern und schwarze Bändchen an den Antennen vieler Autos zeugen davon, dass es "ihre Soldaten" waren, die da am Karfreitag gestorben sind. "Der Krieg kommt uns nahe", sagt eine Frau angesichts eines Ehrenspalieres, den Hunderte Soldaten für ihre toten Kameraden vor dem Kirchenportal gebildet haben.
"Die Stimmung hier kann man zusammenfassen mit Wut, Zorn und Trauer", sagt Brigade-Presseoffizier Björn Gornik. In der Kirche überwiegt die Trauer, als der katholische Militärdekan Monsignore Hartmut Gremler betet: "Gott, wir können nicht begreifen, was geschehen ist". Sein evangelischer Kollege Armin Wenzel versucht in seiner Traueransprache die Angehörigen zu trösten, die in den ersten Reihen neben Merkel und zu Guttenberg sitzen. Fast wie verabredet fällt ein Sonnenstrahl durch die Kirchenfenster, als er den Familien der toten Soldaten zuspricht: "Ihr könnt vertrauen, dass sie bei Gott geborgen sind, wo Schmerzen ihr Ende haben. Der Tod hat nicht das letzte Wort in unserem Leben. Das Leben bleibt der Sieger."
Der Freitag wurde zum persönlichen Leidenstag
Der evangelische Leitende Militärdekan Armin Wenzel aus Kiel sagte den Angehörigen in den Trauerfeier: "Der Freitag vergangener Woche ist für Sie zu einem persönlichen Leidenstag geworden." Der Tod der Soldaten werfe die Frage auf, wie Gott das zulassen könne. Er zeige aber auch, wie sehr Afghanistan nach vielen Jahren des Krieges, der Menschenverachtung und des Hasses noch von Frieden, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit entfernt sei.
Die drei Fallschirmjäger seien Vorbilder für viele Kameraden, betonte Wenzel. "Ich habe in den letzten Tagen viele Anrufe erhalten von Menschen, die den Gefallenen Dank und Anerkennung für ihr Eintreten für Recht und Freiheit ausgesprochen haben." Auch Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker und Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) gaben den am Karfreitag nahe Kundus in einem Feuergefecht mit radikalislamischen Taliban getöteten Männern ein letztes Geleit.
Acht weitere Bundeswehrsoldaten sind bei den bisher schwersten Gefechten der deutschen Truppen mit Taliban-Kämpfern am 2. April in Nordafghanistan teilweise schwer verletzt worden. Auch afghanische Soldaten kamen ums Leben. Seit Beginn des deutschen Afghanistan-Einsatzes 2002 starben bisher insgesamt 39 Bundeswehrsoldaten.