Es ist eine fast normale Woche: Ein Pärchen knutscht, eine Schülerin verpatzt das Referat, und ein anderer spricht kein einziges Wort. Bereits die erste Szene lässt jedoch erahnen, dass diese Woche nicht normal enden wird. Sie wird eingeläutet durch das Lied "Tell me why I don't like Mondays", das Schüler und Lehrer singen. Es wurde 1979 von Bob Geldof geschrieben und greift die Aussagen einer Schülerin auf, die ihren Schulleiter mit einem Gewehr tötete und mehrere Schüler verletzte.
Das Stück "komA" wurde von den österreichischen Autoren Volker Schmidt und Georg Staudacher gemeinsam mit Jugendlichen in Workshops entwickelt. Der Leipziger Regisseur Mirko Borscht hat es für das Schauspiel Hannover bearbeitet und in die Tellkampfschule verlagert. Borscht setzt Laiendarsteller ein: Schüler und Lehrer, die sich in ihrem gewohnten Umfeld bewegen. Sie könnten besonders authentisch die Ängste und Sehnsüchte im Schulalltag darstellen, ist er überzeugt. So werde versucht, die mögliche Vorgeschichte des Amoklaufs zu ergründen und die schwierige Frage nach dem Motiv des Täters zu beantworten.
Rundgang durch eine Schule
Die Zuschauer folgen den Darstellern durch das Schulgebäude. Es geht in den Musikraum, von da aus ins Lehrerzimmer oder in den Keller. Sie begleiten den Lehrer, der in seiner Freistunde eine Zigarette raucht. Oder sie erleben mit, wie sich zwei Schüler heimlich in der Sporthalle näherkommen. Dabei lernen sie die unterschiedlichen Charaktere an der Schule kennen.
"Al ist unser Alphatier", heißt es. Er hat fünf Freundinnen gleichzeitig. Fides ist immer gut gelaunt, aber irgendetwas steckt doch hinter ihrer Fassade. Annie One verheimlicht, dass sie schwanger ist. Lehrer Stach ist noch jung und engagiert. Sein Kollege Bartosch hingegen hat schon resigniert und kommt immer zu spät zum Unterricht.
"Wir spielen zu 100 Prozent den normalen Schulalltag. Komprimiert und übersteigert, aber nie ohne Bezug zur Realität", sagt Torsten Burow. Der 64-jährige, der den Lehrer Bartosch spielt, war früher selbst Lehrer an der Tellkampfschule. Wie fast alle anderen Darsteller hatte er keine professionellen Erfahrungen mit der Schauspielerei. Die Idee zu dem Stück wurde auf der Gesamtkonferenz der Schule vorgestellt. "Wir dachten erst, wir sollten beratend tätig sein", sagt er.
Aufräumen mit dem Medienbild von Amokläufern
Der 18-jährige Alex Rickert spielt den Heavy-Metal-Fan Mad und will mit dem Medienbild von Amokläufern aufräumen. "Das wird abgetan auf Musik oder Killerspiele, aber das sind nur Klischees", sagt er. Stattdessen könne sich ein Amoklauf aus den alltäglichen Problemen, Sticheleien und Demütigungen in der Schule entwickeln. "Es gibt oft nicht den einen Grund, sondern das ist wie ein Fass, das langsam gefüllt wird und irgendwann überläuft."
Was die Zuschauer sehen, ist kein Zuckerschlecken. Da wird gemobbt und geprügelt, geliebt und geweint. So spitzt sich die Situation immer weiter zu. Bis mitten im Musikunterricht die Tür aufgerissen wird. "Gregor ist erschossen worden!" Alle stürmen in den Eingangsbereich der Schule, Lehrer und Schüler liegen tot auf dem Boden, Rauch hängt in der Luft.
Wie es genau zu der Kurzschlussreaktion gekommen ist, bleibt unklar. Ebenso wer der Täter ist. Ist es der introvertierte Junge? Oder der Frauenschwarm? Oder vielleicht das immer freundliche Mädchen, das es allen mal zeigen will? Sicher ist jedoch, dass es auf die Frage nach den Motiven eines Amoklaufes keine einfachen Antworten gibt.
Internet: www.schauspielhannover.de