Aus Israel wurden keine offiziellen Gründe laut, warum Netanjahu seine Teilnahme an dem Atomsicherheits-Gipfel in Washington abgesagt hat. Israelische Medien berichteten jedoch, dass bei der Konferenz massive Kritik am israelischen Atomprogramm befürchtet werde. Es werde erwartet, dass eine Gruppe muslimischer Staaten unter Führung Ägyptens und der Türkei die israelische Regierung zur Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags drängen wolle, berichtete die israelische Tageszeitung "Haaretz" online unter Berufung auf Regierungskreise.
Anstelle Netanjahus soll Geheimdienst- und Atomenergieminister Dan Meridor an der Konferenz teilnehmen. Israel gilt seit Jahren als Atommacht, obwohl es den Besitz von Nuklearwaffen offiziell nie bestätigt hat. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, Mike Hammer, bestätigte die Absage Netanjahus. Zugleich begrüßte er die Teilnahme Meridors und erklärte: "Dies ist ein Gipfel, der auf die Sicherheit von Nuklearmaterial zielt, und darauf ausgerichtet ist, die Teilnehmerstaaten dazu zu bewegen, praktische Maßnahmen zu ergreifen, damit Terroristen keinen Zugriff auf dieses Material erhalten."
Israel will nicht in den Atomwaffensperrvertrag gezwungen werden
Die Israelis befürchten, dass es bei der Konferenz nicht nur um nuklearen Terrorismus gehen wird. "In den letzten Tagen haben wir aber Berichte über die Pläne einiger Teilnehmerstaaten erhalten, von der Frage des Kampfes gegen den Terror abzurücken und stattdessen die Veranstaltung dazu zu missbrauchen, Israel beim Atomwaffensperrvertrag anzutreiben", zitiert "Haaretz" ein namentlich nicht genanntes Mitglied der israelischen Regierung. Die israelische Regierung sei "enttäuscht" von der Entwicklung im Vorfeld der Konferenz.
Der Atomwaffensperrvertrag (Non-Proliferation Treaty), der die Verbreitung von Nuklearwaffen verbietet, wurde bisher von knapp 190 Staaten unterzeichnet, nur nicht von Israel, Indien, Nordkorea und Pakistan. Zu dem Treffen, das am Montag beginnt, hat US-Präsident Barack Obama Vertreter aus 43 Ländern eingeladen, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Osteuropäische Demokratien fürchten US-russischen Schmusekurs
Zuvor hatte sich Obama mit den Staats- und Regierungschefs aus elf mittel- und osteuropäischen Staaten getroffen. Nach der Unterzeichnung des neuen START-Abrüstungsvertrages mit Russlands Präsident Medwedew trat der US-Präsident Bedenken entgegentreten, der neue atomare Abrüstungsvertrag zwischen den USA und Russland bedeute eine Abkehr Washingtons von den osteuropäischen Reformstaaten. "Der amerikanische Präsident hat uns versichert, dass wir zum euro-atlantischen Raum gehören", fasste der tschechische Ministerpräsident Jan Fischer das Treffen zusammen.
Von Tallinn bis Bukarest hatten die politischen Führungen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ab 1989 einen pro-amerikanischen Kurs eingeschlagen, der in der NATO Schutz vor dem Rückfall in kommunistische Zeiten bieten sollte. In den letzten Jahren haben dennoch viele der ehemals kommunistischen NATO-Staaten vor allem unter energiepolitischen Entscheidungen Russlands gelitten. "Ich glaube, der amerikanische Präsident hat die Energiefragen sorgfältig wahrgenommen", sagte Fischer.