Sensationeller Fund erhellt Herkunft des Menschen
Spektakulärer Fossilien-Fund in Südafrika: Mit der Entdeckung einer bisher unbekannten Vormenschenart wird der Stammbaum des Menschen immer erkennbarer.
08.04.2010
Von Laszlo Trankovits

Die etwa zwei Millionen Jahre alten Fossilien eines Kindes und einer Frau könnten ein Bindeglied zwischen den noch affenartigen Vormenschen und den frühen Menschen darstellen, berichtete Prof. Lee Berger von der Witwatersrand-Universität in Johannesburg am Donnerstag.

 

"Alle Menschen stammen aus Afrika" sei die einfache Antwort auf die Frage nach der Herkunft der Menschheit, betonte Südafrikas Vizepräsident Kgalema Motlanthe bei der Präsentation der Forschungsergebnisse von Berger und Paul Dirks von der australischen James-Cook-Universität. Südafrikas Regierung habe ein "tiefes Gefühl von Ehrfurcht und Stolz" angesichts "dieses historischen Moments". Berichte von Berger und Dirks über die Entdeckung und Analyse der Fossilien wurden am Donnerstag auch im US-Fachjournal "Science" ausführlich dargelegt.

Der wissenschaftliche Glücksfall für die Erforschung der Menschheitsgeschichte ist offenbar einem tragischen Unglück vor fast zwei Millionen Jahren zu verdanken - und der Suche eines Jungen nach seinem Hund vor knapp zwei Jahren. In grauer Vorzeit war ein vermutlich etwa zehn Jahre alter Knabe und eine Frau, deutlich über 20 Jahre alt, die sehr gut seine Mutter gewesen sein könnte, nach den Erkenntnissen der Forscher unterirdisch gefangen: Entweder waren sie in eine tiefe Erdspalte gestürzt oder aber sie hätten sich plötzlich in einer Höhle gefangen gesehen. Schließlich seien ihre Leichen in einen etwa 50 Meter tiefen unterirdischen Tümpel oder See gespült worden. An diesen unzugänglichen Orten hätten Raubtiere oder Aasfresser keine Chance gehabt.

Funde in der "Wiege der Menschheit"

Die Forscher waren in einer Höhle der Region Sterkfontein nahe Johannesburg auf die "einmalig gut erhaltenen" Skelettteile gestoßen. An diesem Ort, der wegen zahlreicher spektakulärer Funde auch die "Wiege der Menschheit" genannt wird, hatte am 15. August 2008 Matthew Berger, der neunjährige Sohn des Paläoanthropologen Berger, im hohen Gras seinen Hund "Tau" gesucht, während sein Vater das Feld erforschte. Er sei über einen Stein gestolpert und habe darunter ein Schlüsselbein gefunden. "Ich wusste nicht, was das war, ich dachte, er sei von einer Antilope", berichtete Mathew dem Sender BBC. "Ich rief meinen Vater... und er begann zu fluchen, so dass ich fragte, was ich falsch gemacht hätte - er sagte, nichts, gar nichts, Du hast einen Menschenknochen gefunden". In der Umgebung fanden sich noch zahlreiche andere Fossilien, Überreste von Säbelzahn-Katzen, Antilopen, Mäusen und Ratten.

Die bislang unbekannte Art bekam den wissenschaftlichen Namen Australopithecus sediba. Sediba ist das Wort für "natürliche Quelle" in der südafrikanischen Sprache Sotho. Kind und Frau waren zum Zeitpunkt ihres Todes vor 1,95 bis 1,78 Millionen Jahren beide etwa 1,27 Meter groß, wobei die Forscher davon ausgehen, dass der Junge größer geworden wäre. Die Frau habe etwa 33 Kilogramm gewogen und das Kind etwa 27 Kilogramm. Das Gehirn des Jungen, von dem der Schädel erhalten ist, sei mit 420 bis 450 Kubikzentimetern im Vergleich zum modernen menschlichen Gehirn (etwa 1.200 bis 1.600 Kubikzentimeter) relativ klein gewesen, aber deutlich entwickelter als das Gehirn des älteren Australopithecus afarensis.

Lange Arme, starke Hände

Der Fund könne "unser Verständnis der menschlichen Evolution revolutionieren", hieß es. Die Fossilien wiesen sowohl bereits Merkmale des Homo habilis auf als auch von affenartigen Vormenschen der Gattung Australopithecus. Wissenschaftler hätten nun angesichts der weitgehenden Vollständigkeit des Kinderskeletts die Chance, weit besser als bisher das Aussehen der menschlichen Vorfahren nachzuzeichnen.

"Ich glaube, dass dies ein guter Kandidat für die Übergangsspezies zwischen dem südlichen afrikanischen Affenmenschen Australopithecus africanus und dem Homo habilis ist oder sogar ein direkter Vorfahre des Homo erectus", erläuterte Berger. Die Art habe lange Arme, wie ein Affe, kurze starke Hände, ein sehr entwickeltes Becken und lange Beine, heißt es in der Mitteilung.

Ein Grabungsteam vom Anthropologischen Institut der Universität Zürich unter der Leitung von Peter Schmid hat inzwischen mehr als 180 Fragmente von insgesamt mindestens vier Individuen des bisher unbekannten Vormenschen gefunden. Die jetzt in "Science" beschriebenen Fossilien des Jungen bestehen aus einem Schädelfragment, einem Unterkieferfragment, sowie einem Teilskelett. Die Überreste der ebenfalls in "Science" beschriebenen Frau umfassen Einzelzähne, Unterkieferfragmente und ein Teilskelett. "Diese Skelette sind besser erhalten und vollständiger als diejenigen der bekannten Lucy", stellte Schmid fest.

dpa