Es sollte eine Schicksalswahl werden: Zum ersten Mal seit 24 Jahren sollte die Bevölkerung im Sudan zwischen mehreren Parteien und Kandidaten wählen können. Doch die Abstimmung über den Präsidenten, Parlamente, Bürgermeister und weitere Funktionsträger vom 11. bis 13. April verkommt zur Farce. Alle nennenswerten Oppositionsparteien zogen sich aus dem Rennen zurück.
Die ehemaligen Rebellen der "Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung" (SPLM) treten nur noch in ihrer Hochburg im Süden des Landes an. Die wichtigste Opposition im Nordsudan, die Umma-Partei, kündigte als letzte Partei ihren Rückzug an. "Wir boykottieren die Wahl, weil unserer Forderung nach Verschiebung nicht entsprochen worden ist", verkündete Umma-Sprecherin Sara Nugd-Alla am Mittwochabend. "Wir werden die Ergebnisse nicht anerkennen."
Strafgerichtshof sucht den Präsidenten
In einer gemeinsamen Erklärung der Opposition werden die Gründe für den Boykott aufgeführt: die Fälschung der Volkszählung und der Wählerlisten, Behinderung der Opposition im Wahlkampf durch Regierungsmilizen und Sicherheitskräfte sowie die Beeinflussung der Nationalen Wahlkommission durch die Regierungspartei von Präsident Omar al-Baschir.
Der Staatschef, seit 1989 im Amt, wird vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen der Kriegsverbrechen in Darfur gesucht. Mit dem massenhaften Boykott der Opposition schwindet seine Hoffnung, durch die Wahl demokratisch legitimiert zu werden. Zuletzt hatte Al-Baschir mit Drohungen versucht, den Schein einer freien Wahl aufrecht zu erhalten: Falls die SPLM die Wahl behindere, werde er die 2011 geplante Volksabstimmung über die Unabhängigkeit des Südsudan blockieren.
Doch die SPLM, die zwei Jahrzehnte lang für die Autonomie des Südsudans gekämpft hatte, ließ sich davon nicht beeindrucken. Dennoch hat Al-Baschir Grund, sich zu freuen: Seine Wiederwahl im ersten Wahlgang gilt nach dem Rückzug aller anderen aussichtsreichen Kandidaten als sicher.
Zu wenig oder falsch gedruckte Wahlzettel
Die Wahlkommission hielt noch am Dienstag bei einem Treffen mit internationalen Beobachtern in Khartum die Behauptung aufrecht, die Abstimmung werde frei und fair verlaufen. Bei dem gleichen Treffen jedoch listete die UN-Mission im Sudan in einer langen Liste auf, wo im Land zu wenig oder falsch gedruckte Wahlzettel ausgeliefert wurden. In einem Bundesstaat, Jonglei, wurden bislang gar keine Wahlzettel ausgeliefert: Sie waren offenbar falsch beschriftet worden.
Am umstrittensten ist die Lage in der westsudanesischen Bürgerkriegsregion Darfur. Nach einem Bericht der Konfliktforscher der International Crisis Group wurden in Darfur, wo 19 Prozent aller sudanesischen Wähler leben, nur Unterstützer der Regierung registriert. Die meisten der 2,6 Millionen Vertriebenen hingegen, die als Oppositionsanhänger gelten, stünden nicht auf den Wählerlisten.
"Die Lage in manchen Teilen Darfurs ist schrecklich", sagt auch die Chefin der EU-Wahlbeobachtungsmission, die Belgierin Veronique De Keyser. "Nicht einmal humanitäre Helfer können dorthin, also können wir es auch nicht." De Keyser kündigte am Donnerstag an, alle EU-Wahlbeobachter aus Darfur abzuziehen. Zivilgesellschaftliche Gruppen fordern sogar, die EU solle die Mission ganz aufgeben.
Behinderungen im Wahlkampf
"Wenn die Beobachter bleiben, geben sie einem Prozess eine scheinbare Legitimität, der in Wirklichkeit tief von Mängeln behaftet ist und einem Kriegsverbrecher ins Amt verhelfen soll", erklären die Bürgerrechtler der "Sudan Democracy First Group". Sie werfen ausländischen Beobachtern vor, sich von der Einschüchterungstaktik der Regierung beeinflussen zu lassen und zu wenig Kritik zu üben.
Auch Oppositionelle im teilautonomen Süden Sudans, wo die SPLM mit Salva Kiir einen eigenen Präsidenten stellt, klagen über Behinderungen im Wahlkampf. Unabhängige Kandidaten protestieren gegen willkürliche Festnahmen ihrer Anhänger.
Ein weiteres Problem ist die Wahl selber: Im Süden des Sudan, wo die Mehrheit der Bevölkerung noch nie zu den Urnen gehen konnte, müssen Wähler zwölf Stimmzettel ausfüllen. Wahlbeobachter bemängeln, dass selbst an Wahlen gewohnte Europäer Probleme hätten, die wilde Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht zu durchblicken. Dass die Ergebnisse wie geplant am 18. April vorliegen, glaubt vor diesem Hintergrund kaum jemand.