Klimaforscher hoffen auf Daten von CryoSat-2
Wie stark schmilzt das Eis an den Polen wirklich? Droht durch einen Meeresspiegelanstieg eine weltweite Katastrophe? Oder haben vielleicht doch die "Klimaskeptiker" recht, die derzeitige Veränderungen und Prognosen für halb so wild halten? Wissenschaftler aus aller Welt warten mit Spannung auf Daten, die in Kürze aus 720 Kilometern Höhe aus dem All kommen sollen. Auf dem russischen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan läuft der Countdown für eine der wichtigsten Weltraumexpeditionen der vergangenen Jahre.
08.04.2010
Von Ansgar Haase

An diesem Donnerstagnachmittag ist  der europäische Eisforschungssatellit "CryoSat-2" gestartet. Er soll mindestens drei Jahre lang die Dicke des Land- und Meereises an beiden Polen auf den Zentimeter genau vermessen. "Wenn alles gut geht, haben wir in sechs Monaten die ersten Ergebnisse für die Wissenschaftler", sagt der Direktor für Erdbeobachtungsprogramme bei der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA, Volker Liebig.

Diese Daten sollten eigentlich schon längst da sein. Bereits vor knapp fünf Jahren hatte die ESA einen Eisforschungssatelliten auf den Weg ins All geschickt. "CryoSat-1" stürzte am 8. Oktober 2005 jedoch aufgrund eines Programmierfehlers an der russischen Trägerrakete Rockot unmittelbar nach dem Start ab und landete im Nordpolarmeer. Der Schaden lag bei rund 100 Millionen Euro. Wie bei vielen anderen Wissenschaftsmissionen war der Satellit nicht versichert. Dieses Mal soll alles gut gehen. "Ich vertraue dem Launcher und den Kollegen", sagt Liebig optimistisch.

Sehnsüchtiges Warten auf die Daten

Forscher aus aller Welt warten sehnsüchtig auf den Start der Mission und die für die Klimaforschung wichtigen Daten. Die Veränderung des Eises in Grönland und der Antarktis wirkt sich enorm auf das Weltklima aus. "Für Klimaprognosen zählt nicht die Ausdehnung, sondern die Gesamtbilanz der Eismenge", beschreibt Wissenschaftler Heinz Miller vom "CryoSat"-Projektbüro am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) die Relevanz der Daten: "Es gibt einfach noch keine verlässlichen Zahlen zum Eiszuwachs oder -verlust."

Der von Astrium in Friedrichshafen gebaute Satellit "CryoSat-2" sollte eigentlich bereits im vergangenen Jahr starten. Begrenzte Kapazitäten am Weltraumbahnhof Baikonur machten diesen Plänen jedoch einen Strich durch die Rechnung - dann gab es wieder technische Probleme. Rund 140 Millionen Euro kostet nach Angaben der ESA die Mission. Allein der Auftrag an die Industrie schlug mit rund 75 Millionen Euro zu Buche. Das wichtigste "CryoSat"-Instrument ist ein Radar namens Siral. Mit ihm kann das Eis präzise und unabhängig von der Wetterlage und den Lichtverhältnissen abgetastet werden. Höhenunterschiede sollen sich mit einer Genauigkeit von ein bis drei Zentimetern ermittelt lassen.

CryoSat liefert auch Daten für Damocles

"Das Projekt ist jetzt wahrscheinlich noch wichtiger als vor fünf Jahren", sagt Liebig. Die Entwicklungen in der Arktis, teilweise aber auch in der Antarktis seien dramatisch. Die Ausdehnung des Eises habe stärker abgenommen, als vom Weltklimarat IPCC zuletzt prognostiziert. Nun gelte es, auch die Dicke zu untersuchen.

Nach jüngsten Berechnungen von Wissenschaftlern könnte das arktische Meer schon in wenigen Jahrzehnten zur Sommerzeit von Schiffen durchquert werden. Computermodelle sagen bis zum Jahr 2080 ein drastisches Abschmelzen des Meereises im Nordpolargebiet in den Sommermonaten voraus. Die Auswirkungen dieser dramatischen Klimaveränderungen werden in einem der größten europäischen Forschungsprojekte untersucht - sein Name: "Damocles".

dpa