Filmkritik der Woche: "A Single Man"
Bedrückende Perfektion: Der Modedesigner Tom Ford legt mit seiner melancholischen Christopher-Isherwood-Verfilmung ein fast perfektes Regiedebüt vor. Ein Film über Trauer und Verlust.
07.04.2010
Von Barbara Schweizerhof

An einer Stelle in Christopher Isherwoods Kurzroman "A Single Man" heißt es, die Gefahr sei, dass die Perfektion selbst zum Fehler werden könnte. Tatsächlich ist das Urteil, etwas sei "zu perfekt", eine nur schwer zu widerlegende Kritik, beinhaltet sie doch, dass eine Verbesserung ausgeschlossen ist. Wie soll man ihn einbauen, den "perfekt" gesetzten Schönheitsfehler, der die Perfektion zwar zerstört, aber dafür auch öffnet und erträglich macht?

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Tom Ford hat einen Weg gefunden: In seinem Verfilmung von "A Single Man" ist es die Stimme von Colin Firth, die sich einprägt, weil sie den perfekten Gegensatz bildet zur bestechenden Schönheit der Bilder und ihrem sorgfältig nachinszenierten 60er-Jahre-Ambiente. Diese Stimme nämlich ist rau, fast ungefällig. Man hört, dass da jemand Haltung bewahrt, der allen Grund hätte, sie zu verlieren. "Bring diesen verdammten Tag hinter dich", flüstert George sich selbst zu. Man kann den unterliegenden Schmerz ausmachen - und jenen selbstverächtlichen Humor, den man gern als typisch britisch bezeichnet und bei dem es essenziell darauf ankommt, Distanz zu wahren.

Trauer um den Geliebten

Letzteres fällt George nicht schwer, denn von der Welt, in der er sich bewegt, trennen ihn gleich mehrere Schichten: Die Trauer um seinen Geliebten und langjährigen Lebensgefährten Jim (Matthew Goode), der bei einem Autounfall ums Leben kam, seine Homosexualität und sein Status als Brite in Südkalifornien. George ist innerlich jenem gut angepassten, unauffälligen Literaturprofessor, den er nach außen hin darstellt, völlig entfremdet. Es hat eine eigene Ironie, dass sich der Schauspieler Colin Firth gerade in der Rolle dieses zwiegespaltenen Menschen so wohlzufühlen scheint. Selten hat man Firth so mühelos und leichthändig spielen sehen.

Durch eigenwillige Farbgebung hebt Regisseur Ford George als einen Mann hervor, den die Trauer keineswegs dumpf hat werden lassen, sondern im Gegenteil, den der Schmerz eher überempfindlich macht für Außenreize. Während die Erinnerungssequenzen an das Zusammenleben mit Jim in sinnlichem Schwarz-Weiß gehalten sind, schlagen die reduzierten Farbtöne der Gegenwartsaufnahmen von Zeit zu Zeit in grelles Technicolor um. Der Film zeigt, wie schon Isherwoods Erzählung, einen Tag im Leben von George vom Aufstehen bis in die späte Nacht. Anders als in der Vorlage aber legt er sich hier am Morgen einen Revolver zurecht, so dass über die Dauer des Films die Spannung herrscht, ob er ihn tatsächlich auch benützen wird.

Unbedingter Stilwille

Sein Film sei "zu perfekt", lautete der Vorwurf, der dem Modemacher und einstigen Gucci-Chefdesigner Tom Ford wiederholt für sein Regiedebüt gemacht wurde. Tatsächlich haftet dem unbedingten Stilwillen, von dem hier auch noch der letzte Winkel vor der Kamera erfasst scheint, auch etwas Bedrückendes an. Doch das ist nichts, was Tom Ford so einfach unterlaufen wäre, vielmehr kommt darin etwas zum Ausdruck, was diesem Film erst seine Dimension verleiht: In Mode, Stil- und Farbempfinden der frühen 60er Jahre bilden sich auf schöne und gleichzeitig grausame Weise die strengen Konventionen der Gesellschaft ab, die erst wenige Jahre später durch die 68er-Bewegung aufgebrochen werden sollten.

USA 2009. Regie: Tom Ford. Buch: David Scearce (nach dem Roman von Christopher Isherwood). Mit: Colin Firth, Julianne Moore, Nicholas Hoult, Matthew Goode, Jon Kortajarena. 101 Min. FSK: ab 12ff.

epd