Die Bibel - geschenkt (3): Ihr seid die Kühlschränke der Welt
Moderne Bibelausgaben in einer Sprache, die sich für jugendgerecht hält, gibt es viele. Die sogenannte Volxbibel von Martin Dreyer ist unter ihnen aber etwas ganz besonderes: Im Open-Text-Verfahren kann jeder daran mitschreiben und so bestimmen, welche Formulierungen in den Druck einfließen sollen. Nicht der Herausgeber hat "dem Volk aufs Maul geschaut", wie Martin Luther sagen würde. Sondern das Volk hat selbst getextet.
06.04.2010
Von Ingo Schütz

Wie eine überdimensionale Zigarettenschachtel kommt sie daher, nicht mal der Warnaufdruck fehlt. Aber gewarnt wird auf dieser frechen Bibelausgabe dann doch anders: "Wir alle sind abhängig. Fragt sich nur, von wem." Die Volxbibel mit ihrem gänzlich unsakralen Design zeichnet sich durch zwei Besonderheiten aus. Zum einen durch den Versuch, konsequent die Jugendsprache der Gegenwart zu bedienen. Und zum anderen dadurch, dass sie nicht einen Übersetzer hat, sondern eine ganze Übersetzer-Gemeinde. Übers Internet konnten viele Interessierte bei der Textgestaltung mitdiskutieren und tun es heute immer noch.

Auch innen ist die Volxbibel schön anzusehen. Gut aufgeteilte Texte mit einer leicht lesbaren Schrift und Überschriften, die Lust darauf machen, genauer reinzugucken. Umfangreich ist sie allerdings auch, die Volxbibel: Das Neue Testament allein kommt schon auf ein ordentliches Gewicht. Das Alte Testament, das in zwei Teilen erscheint, erschwert es zusätzlich, diese Bibel mit ins Gepäck einer Konfifreizeit zu nehmen. Dagegen eignet sie sich hervorragend für den Nachttisch oder die Pausenhalle.

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Martin Dreyer, Gründer der Hamburger "Jesus Freaks" und Initiator des Projekts "Volxbibel", ließ viele Menschen übers Internet mitdiskutieren bei der Frage, wie einzelne Passagen heute zu formulieren wären. Ganz im Stile des Open-Text-Verfahrens konnte so jeder Interessierte die Ausgaben mitgestalten. Und kann es weiterhin: Durch anhaltende Diskussionen entstehen auch immer neue Textvarianten. In regelmäßigen Abständen werden sie gedruckt und als Buch verkauft. Aktuelle in den Läden ist darum das "Neue Testament 3.0" zu finden, das sich von der ersten Version aus dem Jahr 2005 in vielen Punkten unterscheidet.

Ein Beispiel für die Veränderungen im Text bietet die Bergpredigt aus Matthäus 5. Wo man bei Luthers Übersetzung der Passage noch etwas vom "Salz der Welt" lesen konnte, war in der Volxbibel auf einmal die Rede vom "Kühlschrank". Salz, so der Gedanke, wurde zur Zeit Jesu vor allem genutzt worden, um Speisen vor dem Verderben zu bewahren. Das aber macht bei uns heute der Kühlschrank. "Ihr seid wie ein Kühlschrank für diese Welt. Ohne euch würde alles Gute vergammeln. Wenn dieser Kühlschrank aber nicht mehr funktioniert, gehört er auf den Schrott, wo er verrotten soll“, hieß es in einer der älteren Versionen.

Vom Salz war da gar nichts mehr zu lesen. Später erschien es den Übersetzern dann aber doch noch wichtig, das Salz nicht ganz unter den Tisch fallen zu lassen. Kurzerhand nahmen sie es in den Text wieder auf, so dass es nun heißt: "Ohne euch würde nichts mehr richtig schmecken und ohne euch würde auch alles Gute uncool sein." Salz und Kühlschrank in einem.

Aufregung über "unflätiges Machwerk"

Groß war übrigens nicht nur die Aufregung, als der damals 40-jährige Dreyer im Dezember 2005 die erste Ausgabe der Volxbibel herausbrachte. Groß war auch die Nachfrage nach dem neuen biblischen Produkt. Die Erstauflage von 5.000 Exemplaren war binnen zwei Wochen vergriffen. Und groß war die Kritik: Viele beschwerten sich bitterlich über das "Machwerk": "Unflätig und ungebührlich" werde darin von Gott gesprochen, hieß es etwa in einer Broschüre der Christlichen Bücherstuben GmbH aus Dillenburg. In den 31 Filialen der zur Brüderbewegung gehörenden Organisation wurde die Volxbibel nicht zum Verkauf angeboten.

Nachdem das Neue Testament so großen Erfolg hatte, ist im vergangenen Jahr auch das Alte Testament in neuer Sprache und mit neuen Sprachbildern erschienen, das Buch von den "Alten Verträgen" der Menschen mit Gott. Es beginnt, wie sollte es anders sein, mit einer locker-frivol-frechen Umschreibung der Genesis: Gott "bastelte das riesige Weltall zusammen und mittendrin die Erde". Leider endet die derzeit verfügbare Ausgabe des Alten Testamentes mit dem Buch Esther.

Die Psalmen gerappt

Schöne Stücke der hebräischen Bibel fehlen also in Teil eins, aber schon im Mai soll der zweite Teil folgen. Und dann gleich richtig: Weil die Psalmen Gesänge gewesen sein sollen und die heutige Form zu singen eben der Rap sei, haben Dreyer & Co. die Psalmen einer Vorankündigung zufolge kurzerhand in das Schema des modernen Sprechgesangs gepackt. Man darf schon jetzt gespannt sein.

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Neben dem gedruckten Buch kann man die Volxbibel übrigens auch als CD erwerben. Mal flotte, mal besinnliche Beats von JesusRockRecords wurden unter die Lesungen von Martin Dreyer gelegt. Manchmal läuft die Platte dadurch aber eher wie im Hintergrund, das Zuhören fällt schwer. Da zeigen sich die Vorteile eines Prints, bei dem man eine Zeile auch schnell zwei Mal lesen kann, um sie zu verstehen.
Stil- und jugendgemäß gibt es übrigens auch einen Losungsservice im Internet. Via Twitter oder E-Mail kann man sich jeden Morgen einen neuen Vers zustellen lassen. Die Textgrundlage dazu ist übrigens die Volxbibel 4.0, die erst im Laufe des Jahres erscheinen wird. Anmelden kann man sich dazu unter www.twitter.com/volxbibel oder www.volxbibel.com/emailservice. Auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag in München hat das Volxbibel-Wiki den Silbernen WebFish gewonnen (siehe unsere Meldung).

Fazit

Hinter der Volxbibel steckt ein einzigartiges und spannendes Projekt. Das allein könnte schon Grund genug sein, sich dieses Buch zuzulegen. Darüber hinaus machen die Texte einfach Spaß. Das wird Jugendlichen mit Sicherheit so gehen. Wer sich dagegen in der Bibel bereits auskennt, bekommt hier einen frischen und zum Nachdenken anregenden Blick auf die alten Geschichten. Selbst wer sich an den Formulierungen reibt, dürfte darum einen Gewinn bei der Lektüre der Volxbibel haben. Zu empfehlen ist sie nicht nur zur Konfirmation.

Leseprobe: Das Vaterunser

"Wenn ihr mit Gott redet, könnt ihr schön locker bleiben. Nicht so wie die religiösen Spinner, die gerne in den Kirchen oder auf der Straße herumhängen und Showbeten veranstalten, damit sie jeder bewundern kann. Ich sag dazu nur eins: Vergesst es! Da kommt von Gott auch nichts bei rüber! Wenn du aber mit Gott reden willst, dann hock dich in deine Kellerbude, mach die Türen hinter dir zu und quatsch dich in Ruhe mit ihm aus. Gott ist wie ein richtig guter Papa, der weiß genau, was in dir abgeht, er wird dir helfen können. Laber deine Gebete nicht so daher wie die Leute, die keine Ahnung von Gott haben. Die glauben doch tatsächlich, wenn sie Gott total zutexten, wird er ihnen schon eine Antwort geben. Hey, euer Papa weiß schon immer vorher, worum es euch diesmal geht. Jetzt mal ein Paradebeispiel, wie ihr beten könnt: 'Hey, unser Papa da oben! Darum geht's, dass du und dein Name allein auf dieser Welt ganz groß rauskommen! Du sollst hier das Sagen haben, auf der Erde genauso, wie es da oben im Himmel ja schon immer der Fall war. Hey, versorg uns doch bitte mit allem, was wir heute so zum Leben brauchen! Und verzeih uns die Sachen, wo wir mal wieder Mist gebaut haben. Wir verzeihen ja auch denen, die bei uns was verbockt haben. Pass auf, damit wir nicht irgendwelchen schlechten Gedanken nachgeben und dir untreu werden und so. Führe uns nicht in Situationen, wo wir Fehler machen könnten. Rette uns, wenn uns das Böse anzeckt! So passt es [Amen]!'" (Matthäus 6,5-14)

Bewertung

       Originalität     

       Lesbarkeit      

       Cool-Faktor    

       Handgepäck   

       Grafik            

       Inhalt             

 

Bestellinformationen

NT 3.0
Preis: 9,95 Euro
ISBN: 3629011039
Verlag: Pattloch (2008)
576 Seiten

AT Teil 1
Preis: 9,95 Euro
ISBN: 394004105X
Verlag: Volxbibel-Verlag, 1. Aufl. (2009)
895 Seiten


Ingo Schütz ist Diplom-Theologe und angehender Pfarrer.