Evangelische Kirche kritisiert erneut Einsatz in Afghanistan
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hält an ihrer Kritik am Bundeswehreinsatz in Afghanistan fest. Am Karfreitag starben drei weitere deutsche Soldaten im Kampf gegen Taliban.

Der amtierende EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider sieht die Rechtfertigung für den Bundeswehreinsatz am Hindukusch schwinden und fordert eine Abzugsperspektive. "Der Konflikt in Afghanistan ist aus dem Ruder gelaufen", sagte der rheinische Präses dem "Hamburger Abendblatt" (Samstag). Die Legitimation des Einsatzes sei "äußerst brüchig". "Und wir laufen Gefahr, dass der Einsatz völlig seine Legitimation verliert."

Unterdessen wurde bekannt, dass die Bundeswehr am Freitag in ihrem Einsatzgebiet im Norden Afghanistans offenbar irrtümlich fünf afghanische Soldaten getötet hat. Wie das Einsatzführungskommando in Potsdam bei Berlin am Samstag mitteilte, bewegten sich zwei zivile Kraftfahrzeuge in der Nähe von Kundus auf eine Gruppe von Bundeswehrsoldaten zu. Die Afghanen hielten nicht an, um sich überprüfen zu lassen. Daraufhin eröffnete ein deutscher Schützenpanzer das Feuer auf eines der Fahrzeuge. Ein Sprecher der Bundeswehr sagte, die Bundeswehr bedauere den Vorfall zutiefst. Das Geschehen werde überprüft.

Bestürzung über Tod deutscher Soldaten

Zuvor waren bei einem Gefecht mit radikalislamischen Taliban am Freitag drei deutsche Soldaten getötet worden. Es war das folgenschwerste Gefecht für die Bundeswehr seit ihrem Bestehen. Dabei waren auch acht Soldaten verletzt worden, vier von ihnen schwer. Mit Bestürzung und Betroffenheit hatten Regierung und Opposition auf den Tod der drei deutschen Soldaten reagiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte den "hinterhältigen Angriff" scharf.

Der neue Zwischenfall ereignete sich nach Angaben der Bundeswehr, als am Freitagabend deutsche Soldaten das Feldlager in Kundus verließen, um die vorher im Gefecht eingesetzten Kräfte abzulösen. Auf dem Weg dahin fuhren die beiden zivilen Autos auf die Bundeswehr zu und hielten auch nach allen "von deutscher Seite durchgeführten Sicherheits- und Identifizierungsverfahren" nicht an. Später stellte sich heraus, dass es sich um zivile Fahrzeuge der afghanischen Armee gehandelt habe.

"In Afghanistan ist Krieg"

Schneider sagte, wenn es die Politik nicht deutlich sage, "dann sagen wir es als Kirche: Was in Afghanistan passiert, ist Krieg". Der oberste Repräsentant von 25 Millionen Protestanten in Deutschland schloss sich damit der Kritik seiner Ende Februar wegen Alkohols am Steuer zurückgetretenen Amtsvorgängerin Margot Käßmann an, die in Interviews und Predigten zum Jahreswechsel den deutschen Einsatz am Hindukusch infrage gestellt und damit teils heftige Kritik geerntet hatte. Insbesondere der Satz "Nichts ist gut in Afghanistan" erntete in der Politik vielfach Widerspruch.

"Dieser Satz war zugespitzt und hat eine wichtige Wirkung entfaltet. Insofern war er gut", sagte Schneider. "Wir müssen aufräumen mit der Selbsttäuschung unserer Gesellschaft, die die Bundeswehr lange als besseres Technisches Hilfswerk gesehen hat, die Brücken baut, Brunnen bohrt und Wasserleitungen legt", verlangte er. Tatsächlich gehe es darum, den zivilen Wiederaufbau militärisch zu sichern. "Dabei wird man beschossen, man schießt zurück, und man tötet Menschen", sagte Schneider. Deutschland dürfe nicht "zu so etwas wie einem langjährigen Besatzer" werden, forderte der Theologe: "Es gibt einen entscheidenden Impuls der USA für eine Exit-Strategie. In deren Windschatten muss sich auch für uns eine Abzugsperspektive ergeben."

Guttenberg verteidigt Einsatz

Seit Beginn des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan 2002 sind dort 39 deutsche Soldaten getötet worden. Verteidigungsminister Karl- Theodor zu Guttenberg (CSU) unterbrach seinen Osterurlaub in Südafrika und wird nach Angaben seines Ministeriums früher nach Deutschland zurückkehren. "Mit großer Betroffenheit habe ich heute von den gefallenen und verwundeten deutschen Soldaten in Afghanistan erfahren müssen", hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme des Ministers. "Angesichts von Gefechten dieses Ausmaßes wird deutlich, wie gefährlich der gleichwohl notwendige Einsatz in Afghanistan ist."

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach den Angehörigen der in Afghanistan getöteten Bundeswehrsoldaten seine Anteilnahme aus. "Ich verurteile diesen hinterhältigen Angriff, der sich nicht nur gegen deutsche Soldaten richtete, sondern auch gegen das ganze afghanische Volk", sagte Westerwelle am Freitag nach Angaben des Auswärtigen Amtes. "In diesem schweren Moment sind unsere Gedanken bei den Familien und Angehörigen der Opfer. Ihnen gilt unsere tief empfundene Anteilnahme." SPD-Fraktionschef Frank- Walter Steinmeier sprach von einem "feigen und hinterhältigen Anschlag". Die Linksfraktion im Bundestag verlangte den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.

epd/dpa