Organisch und fair: Kakao aus Aceh
In den Plantagen tropischer Herkunftsländer ernten Kinder unter schlimmsten Bedingungen den Rohstoff Kakao. Fair gehandelter Kakao unterstützt die Bauern und das Verbot von Kinderarbeit.
01.04.2010
Von Michael Lenz

Nach der Fastenzeit darf wieder gevöllt werden. Ostereier aus Schokolade und Schokoosterhasen sind der große Renner. Vor allem bei Kindern sind die süßen Köstlichkeiten beliebt. Was viele oft nicht wissen: der Schokoladenrohstoff Kakao wird in den Plantagen tropischen Herkunftsländern oftmals unter schlimmsten Bedingungen von Kindern geerntet. Aber es gibt auch die "guten" Schokoosterhasen. Die bestehen aus Schokolade, die nach den Prinzipien des fairen Handels produziert worden ist. Dazu gehört das absolute Verbot von Kinderarbeit

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Schokolade - "FairTrade"

Muchtar Insya ist ein kleiner Kakaobauer in Aceh, Indonesiens islamischster Provinz. Gerade mal einen Hektar ist seine Plantage groß, die typische Größe einer Kakaoplantage in der indonesischen Provinz. Aber Insyas Kakaobohnen tragen das Gütesiegel "FairTrade". Das heißt: der Kakao wird organisch angebaut, der Profit geht an Muchtar Insya, statt bei Mittelsmännern hängenzubleiben und Kinderarbeit ist tabu. Stolz führt Muchtar Insya durch seine kleine Plantage. An den Bäumen sind Kakaofrüchte in den unterschiedlichsten Zuständen zu sehen: als kleine, weiße Blüte zum Beispiel bei deren Anblick es schwer fällt sich vorzustellen, dass daraus in kurzer Zeit eine pralle, dickschalige, rötliche Frucht wird, deren Kerne der Rohstoff für Vollmilchschokolade, Pralinen und Trinkschokolade sind.

Muchtar Insya ist seit Ende 2005 wieder aktiv in seiner Plantage. Gleich nach dem Friedensabkommen zwischen der "Bewegung Freies Aceh" (GAM) und der indonesischen Regierung im August 2005 ist er mit seiner Familie aus Nordsumatra zurückgekehrt, wohin sie vor den Kämpfen geflohen waren. Seine Heimat Pidie Jaya gehörte zu der Hochburg der GAM. Der Neubeginn ist Muchtar Insya mit Hilfe der "Gesellschaft für technische Zusammenarbeit" (GTZ) gelungen, die in Aceh bei der Katastrophenhilfe nach dem Tsunami von 2004 aktiv war. "Wir wollten etwas Nachhaltiges schaffen sowohl für die Tsznamiopfer als auch für die Menschen in Post-Konfliktgebieten ", sagt Marcus Lange, Mitarbeiter der GTZ Indonesien.

Von der Waffe zum Pflug

Nachhaltig ist zum Beispiel die Entwicklung der Landwirtschaft, die in den Jahrzehnten des Kriegs fast völlig brach lag. Es war ironischerweise auch der Krieg, der ideale Vorraussetzungen für den organischen Anbau von Kakao geschaffen hatte: die Böden waren nicht durch chemische Düngemittel und Pestizide verseucht. Vor allem auf dem europäischen Markt wächst zudem die Nachfrage nach organisch angebautem Kakao so rasant, dass etablierte Plantagen in Afrika und Asien gar schnell genug ihre Anbaumethoden dem anpassen können. Beste Chancen also für die Neuzugänge auf dem Kakaomarkt aus Aceh.

Auf Anraten der GTZ haben sich mehr als 2.000 Plantagenbesitzer in Pidie, Pidie Jaya und Aceh Utara zu insgesamt drei Kooperativen zusammengeschlossen. So mancher der Bauern muss den Kakaoanbau von der Pike auf lernen, denn als Kämpfer der GAM haben viele einen großen Teil ihres Lebens mit der Waffe in der Hand verbracht, statt mit Pflugscharen ihr Land zu beackern. Die Regierung Acehs hat jetzt gut 2.000 GAM-Kämpfern Land zur Verfügung gestellt, um ihnen die Rückkehr ins zivile Leben durch eine wirtschaftliche Grundlage zu erleichtern und ihnen die Lust zu nehmen, sich Gangsterbanden oder gar islamischen Terrorgruppen anzuschließen.

Qualitätssicherung stellt hohe Ansprüche

Idris Ismael ist ein solcher Ex-GAM-Kämpfer. Was genau seine Funktion in der Guerillaarmee war, mag er nicht verraten. Er sagt nur soviel: "Alle hier waren GAM-Kämpfer." Er spricht zudem sowieso lieber über Kakao. Viereinhalb Hektar Kakaoplantage nennt er sein eigen und zudem ist er der Leiter der Kooperative in Pidie, gleich um die Ecke von Pidie Jaya. Fast liebevoll fährt er durch die grau-braunen Kakaobohnen, die nach dem Fermentierungsprozess in der mit Solarenergie beheizten Halle in großen Holzkisten getrocknet werden. "Wir sind schon im Gespräch mit potentiellen Kunden, die sehr an unserem organischen Kakao interessiert sind. Darunter ist ein Schokoladenhersteller aus der Schweiz", erzählt Idris Ismael.

Noch aber ist der Vertrag mit den Schweizern nicht so richtig unter Dach und Fach. Es hapert an der Qualität des acehnesischen Biokakaos, weil auch Ungeziefer Kakao liebt, aber auch weil die Bauern sich noch schwer tun mit den neuen Arbeitsmethoden. Früher ließ man einfach die Früchte wachsen, erntete sie und verkaufte die Ernte sofort an Händler. Qualitätssicherung stellt aber höhere Ansprüche. Schlechte Früchte müssen aus den Bäumen entfernt, Bäume beschnitten und gestutzt werden, Ungeziefer darf nicht mit der chemischen Keule zu Leibe gerückt werden. "Die Bauern freuen sich, dass sie mit organischem Kakao, den sie auch selbst vermarkten, wesentlich mehr verdienen können. Aber sie haben noch nicht so ganz begriffen, dass der Arbeitsaufwand dafür intensiver ist", sagt Nazzarudin, der indonesische Kakaoexperte der GTZ.

Lieber heute als morgen Kakaobohnen aus Aceh

Der Markt ist da für Kakao aus organischem Anbau. Vor allem in Europa wächst die Nachfrage nach Schokoladeprodukten aus Biokakao mit dem FairTrade-Gütesiegel. Die Chefeinkäuferin eines Schweizer Schokoladenherstellers, die aber nicht namentlich genannt sein will, hofft, dass die Kooperativen in Aceh bald die Qualitätsprobleme in den Griff bekommen. Sie will nämlich lieber heute als morgen Kakaobohnen aus Aceh importieren. "Acehkakao benutzt hier in der Schweiz noch keiner der Hersteller. Wir wären die ersten."

Für die Kakaobauern ist das Biobewusstsein der Europäer ein Buch mit sieben Siegeln. Auch die Begeisterung für Kakao ist ihnen fremd. Anders als der Kaffee aus Aceh hat Kakao, der erst von den ehemaligen holländischen Kolonialherren eingeführt wurde, noch nicht Eingang in die reiche acehnesische Ess- und Trinkkultur gefunden. Aber sie sind lernwillig, wie der große Zahl der Männer und Frauen zeigt, die sich zu einem Fortbildungsnachmittag in der Lagerhalle von Muchtar Insya, in der die Mitglieder der Kooperative die prall mit verkaufsfertigen Kakaobohnen gefüllten Säcke stapeln, eingefunden haben. Ein GTZ-Mitarbeiter führt Dias über Fermentierungstechniken vor. Muchtar Insya steht am Eingang. Mit einem Auge verfolgt er die Diaschau, mit dem anderen kontrolliert er die junge Frau, die die im Hof zum trocknen ausgelegten Kakaobohnen wendet. Auch das gehört zur Qualitätskontrolle. Muchtar Insya ist überzeugt, dass sein organischer Kakao bald den hohen Ansprüchen Schweizer Schokoladenhersteller genügen wird: "Wir schaffen das." Dann gibt es auch bald Schokoosterhasen aus fair gehandeltem und organischen Acehkakao.