Die Christen haben ein Terminproblem. Nein, nicht erst durch die Hektik der Moderne. Manches schleppen sie schon seit zwei Jahrtausenden mit sich herum. Die Frage zum Beispiel, wann Jesus gekreuzigt wurde. Im Jahr 33, wie man lange vermutete? Oder 31, 30, 28? Niemand weiß es genau. Historiker nicht, Theologen erst recht nicht. Auch mit Ostern ist das so eine Sache. Klar, Jesus ist auferstanden. Aber an welchem Datum sollen die Gläubigen es feiern?
Schon die Evangelisten waren sich nicht ganz einig darüber, was in der Passionswoche eigentlich wann geschah. Mit den Daten hatten sie es nicht so. Laut Markus, Matthäus und Lukas war die Kreuzigung am 14. Tag des Frühlingsmonats Nisan, dem jüdischen Pessachfest. Johannes nennt hingegen den Tag zuvor. Mit Pessach erinnern die Juden an den Auszug aus Ägypten. Als Zeichen dafür schlachten sie Lämmer. Jesus wiederum sah sich als das neue Opferlamm, das die Erbsünde tilgt. Im alten Israel galt der Mondkalender, am 14. Nisan war stets Vollmond.
Abkehr von jüdischen Ursprüngen
Bei den Urchristen wurde Ostern entweder an diesem Tag, egal welcher Wochentag, oder aber am darauffolgenden Sonntag gefeiert. Die zweite Variante setzte sich bald durch, vor allem in vormals heidnischen Gebieten wie etwa in Rom. Das war eine Abkehr von den judenchristlichen Ursprüngen der neuen Religion. Auch in der Kalenderfrage siegte Paulus also über Petrus. Ohnehin war die jüdische Kalenderberechnung war nach der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 nach Christus nicht mehr gesichert, da die religiösen Autoritäten fehlten.
Doch aus dem Streit um den Ostertermin wurde bald die erste von vielen Spaltungen innerhalb der Christenheit. Nachdem sich schon Anfang des 3. Jahrhunderts Papst Viktor I. und Bischof Polykrates von Ephesos wegen des Ostertermins heftig befehdet hatten, wurden die sogenannten Quartodecimaner – jene also, die die Auferstehung am 14. Nisan feierten – beim Konzil von Nizäa 325 in der heutigen Türkei aus der Kirche ausgeschlossen. Kaiser Konstantin der Große ließ verkünden, Ostern falle grundsätzlich auf den Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond.
Dionysius Exiguus beendet den Streit - vorerst
Dann nämlich fiel den Astronomen von Papst Gregor XIII. auf, dass das errechnete Datum für den ersten Frühlingsvollmond immer stärker vom Lauf der Gestirne abwich, ganz abgesehen davon, dass dieser auch kurz vor dem 21. März eintreten konnte. Der julianische Kalender, der zu viele Schalttage enthielt, wurde 1582 durch den gregorianischen ersetzt. Dabei mussten zehn Tage übersprungen werden. Den Protestanten und den Ostkirchen gefiel das nicht – die evangelische Christenheit übernahm den neuen Kalender erst im 18. Jahrhundert, die Orthodoxen bis heute nicht. Zumindest nicht beim Ostertermin.
Von Greenwich nach Jerusalem
Daran liegt es, dass die Auferstehung heute in Ost und West an verschiedenen Sonntagen gefeiert wird. Identische Termine wie in diesem und im nächsten Jahr sind eher die Ausnahme als die Regel. Versuche zur Vereinheitlichung gab es schon viele. 1897 wandten sich Astronomen deswegen an den Papst, 1931 sogar der Völkerbund. Jüngst schlug sogar der Weltkirchenrat vor, das westliche Berechungsmodell für verbindlich zu erklären, aber als Grundlage für die Mondberechnung nicht mehr den Null-Meridian von Greenwich zu verwenden, sondern den Längengrad von Jerusalem.
###mehr|terms|8243+6251###Doch für die Orthodoxen war der gregorianische Kalender seit jeher Teufelswerk – eine päpstliche Neuerung, die in Russland noch dazu von den Kommunisten eingeführt worden war, das geht gar nicht. Neben dem Moskauer Patriarchat wenden sich vor allem die Mönche vom Berg Athos gegen jeden Kompromiss und wollen ihren eigenen Ostertermin beibehalten. Der kann übrigens sogar im Mai liegen – denn neben der Vollmondregel gilt im Osten auch das Prinzip, dass Ostern nicht vor dem jüdischen Pessach liegen kann.
Im Westen 35 Möglichkeiten
So paradox die Geschichte erscheint, es gibt noch ein paar weitere Merkwürdigkeiten. Zu den 35 terminlichen Möglichkeiten, die es im Westen für das Fest der Auferstehung gibt, nämlich vom 22. März bis zum 25. April, kommen noch die sogenannten Osterparadoxien. Die treten dann auf, wenn sich Frühling und Vollmond nicht an den Kalender halten, wenn also der Frühlingsbeginn vor dem 21. März liegt und sich der tatsächliche Vollmond vom errechneten Termin unterscheidet. Gegen diese Naturgewalten sind auch moderne Berechnungsformeln wie die des Mathematikers und Astronomen Carl Friedrich Gauß (1777-1855) machtlos.