Das Fachblatt "International Journal of Obesity" beschäftigt sich eigentlich mit der wissenschaftlichen Erforschung der Fettleibigkeit. In seiner jüngsten Ausgabe geht es allerdings besonders interdisziplinär zu. Pünktlich zu Ostern stellten Brian Wansink vom Institut für Angewandte Wirtschafts- und Managementwissenschaften der Cornell-Universität in Ithaca im US-Bundesstaat New York und sein Bruder Craig Wansink, Religionswissenschaftler am Virginia Wesleyan College in Norfolk, Virginia, ihre Studie vor. Thema: die bildhafte Überlieferung des letzten Abendmahls.
52 Abendmahl-Gemälde der vergangenen 1000 Jahre haben Wansink und Wansink analysiert, die Bildinhalte geometrisch vermessen und die Größe der dargestellten Gerichte auf dem Tisch computergestützt erfasst. Als Bezugsgröße dienten den Amerikanern dabei die Gesichter von Jesus und seinen Jüngern.
Trend zur Völlerei
Verblüffende Erkenntnis: Im Lauf der Zeit kam beim nach Ansicht der Wansinks "berühmtesten Dinner aller Zeiten" immer mehr auf Tisch. Vor allem die Fleischgerichte fielen ab dem Mittelalter zunehmend größer aus - der Lammbraten war doppelt so groß wie 300 Jahre zuvor.
Die Forscher folgern, das liege an der allmählich besseren Versorgung der Menschen, die deswegen auch ihre Vorstellung von den biblischen Ereignissen ihren eigenen Essgewohnheiten anpassten.
Die Größe der Teller wuchs Brian und Craig Wansink zufolge zwischen dem 11. und dem 21. Jahrhundert um stattliche 66 Prozent, die Portionen um 69 Prozent, die Brotlaibe jedoch nur um ein knappes Viertel - vergleichsweise bescheidene 23 Prozent.
Warum die Wissenschaftler ausgerechnet das Abendmahl als Untersuchungsgegenstand wählten, hat übrigens einen simplen Grund: Es ist das am häufigsten verwendete Motiv eines gedeckten Tischs in der Menschheitsgeschichte.
Thomas Östreicher ist freier Journalist in Hamburg und Frankfurt.