Chronischer Wassermangel im Heiligen Land
Israel hat ein Wasserproblem: Es gibt einfach nicht genug. Seit Jahren schon werden die drei Quellen, von denen mehr als sieben Millionen Menschen leben, chronisch überpumpt. Die Landwirtschaft und der private Wasserverbrauch sind die größten Probleme dabei. Jetzt sucht Israel nach Lösungen, unter anderem Wasser aus dem Mittelmeer.
31.03.2010
Von Lea Hampel

"Das hier ist der Jordan", sagt Gidon Bromberg. Er zeigt auf das Rinnsal in der Mitte des grünen Tals im Nordosten Israels. "Also das, was davon übrig ist", fügt der Direktor der Umweltschutzorganisation "Friends of the Earth" im Nahen Osten hinzu. Viel ist nicht zu sehen. Wie die meisten Gewässer Israels hat der Fluss Tiefststand. Denn obwohl Israel gerade einen der feuchtesten Winter der vergangenen 20 Jahre erlebte, hat das Land nach wie vor ein massives Wasserproblem.

Das Gebiet an der Grenze zu Jordanien ist nur eines von vielen, wo der konstante Wassermangel augenfällig wird. Knapp siebeneinhalb Millionen Menschen leben in Israel von drei Wasserquellen - zwei unterhalb der Mittelmeerküste und der Berge. Die dritte Quelle ist der See Genezareth. "Die Situation aller Quellen ist sehr schlecht, weil sie über Jahre überpumpt wurden", sagt Uri Shor, Sprecher der Wasserbehörde. Die Gefahr einer Wasserknappheit ist altbekannt. Seit den 80er Jahren warnt der Hydrologische Service, der den Stand der Wasserquellen misst, zu viel abzupumpen.

Chronischer Wassermangel bei den Palästinensern

"Die dramatische Situation hat langfristige Ursachen", sagt Umweltaktivist Bromberg. «Ein Hauptproblem ist das Bevölkerungswachstum.» Während Haushalte und Gemeinden in den sechziger Jahren noch 200 Millionen Kubikmeter Wasser verbraucht hatten, komme dieser Sektor 2010 auf fast 700 Millionen Kubikmeter. Weitere Faktoren sind nach den Worten Brombergs verringerte Niederschläge und der hohe Verbrauch der Landwirtschaft. "50 Prozent des Wassers fließen in den Sektor, der nur ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmacht. Das ist erschreckend", sagt Bromberg. Jedoch genieße die Landwirtschaft große politische Unterstützung. Sie werde als elementarer Entwicklungsfaktor des Staates gesehen. "Es ist Teil des zionistischen Traums, sich die Hände schmutzig zu machen", sagt er.

In den Palästinensergebieten herrscht immer chronischer Wassermangel. Jeder Palästinenser muss im Durchschnitt mit einem Viertel dessen auskommen, was der Nachbar in Israel oder in den Siedlungen konsumiert. Die Weltbank macht in einem Bericht dafür sowohl das Missmanagement der Palästinensischen Autonomiebehörde als auch die Restriktionen Israels verantwortlich. Dazu gehören sowohl die Kontrolle von Wasserquellen als auch eingeschränkte Bewegungsfreiheit für jene Palästinenser im Westjordanland, die in Gegenden wohnen, die entweder ganz oder teilweise von Israel kontrolliert werden.

Exportierte Früchte kosten viel Wasser

Professor Hendrik Bruins, Wasserforscher an der Sde Boker Universität, ist überzeugt, dass sich hohe Wasserpreise in Israel politisch schwer durchsetzen lassen. "Eine Preisanhebung wäre eine gute Möglichkeit, die Nachfrage zu reduzieren", sagt er. "Aber kein Politiker will das Land ohne Wasser lassen, erst recht nicht vor Wahlen." Dennoch setzte die Wasserbehörde letztes Jahr Sonderpreise für übermäßigen Wasserverbrauch durch und erhöhte die Durchschnittspreise zu Jahresbeginn 2010 um 25 Prozent. "Zwar liegen diese Preise unter dem europäischen Durchschnitt", sagt Wasserforscher Bruins. "Doch die Maßnahme trifft genau die Leute, für die die Kosten einen hohen Einkommensanteil ausmachen."

Weil die Angst vor der Wasserkrise permanent ist und die Ressourcen sich nur regenerieren, wenn sie eine Weile unberührt bleiben, sucht Israel seit Jahren nach Alternativen dazu, die natürlichen Quellen abzupumpen. "In der Wiederaufbereitung sind wir bereits weltweit führend, außerdem nutzen wir Grundwasseranreicherung und künstlichen Regen", sagt Shor von der Wasserbehörde. Mit einer Kampagne wird zudem seit 2008 zum Wassersparen im Alltag aufgerufen. Die Regierung sieht vor allem in der Entsalzung von Mittelmeerwasser eine Chance. "Damit gelingt es uns ab 2013, die Hälfte des Wasserbedarfs zu befriedigen", sagt Shor. Drei Anlagen stehen bereits, zwei weitere sind in Planung. "Diese Methode bringt mehr als alle kleinen Ansätze zum Wassersparen, die die verfehlte Politik von 30 Jahren nicht ausgleichen können", sagt auch Wasserforscher Bruins.

Ein grünes Israel im Sommer ist nicht normal

Allerdings gibt es auch Kritik an der Entsalzung. "Diese Technik verbraucht fossile Brennstoffe und verschmutzt das Mittelmeer", sagt Umweltschützer Bromberg. Nachteilig daran ist nach seinen Worten auch, dass die Regierung den Betreibern überschüssiges Wasser abkaufen muss. "Der Fokus sollte auf Nachfragemanagement liegen." Es sei nicht normal, dass ein Land wie Israel im Sommer grün sei, Bananen anbaue und Tropenobst exportiere. "Trockenheit ist hier normal, das steht schon in der Bibel", sagt Bromberg.

Das Wasserproblem sieht er als ein "Problem des Lebenswandels". Kampagnen für weniger Wasserverbrauch habe es schon in den 80er Jahren gegeben. Eine Schockwirkung beobachtet er erst in den letzten Jahren, in denen die Leute mit eigenen Augen sehen, wie der Wasserspiegel des Toten Meeres sichtbar fällt und der Jordan zu einem Rinnsal verkümmert. "Doch solange die Menschen Wasser bekommen, wenn sie den Hahn aufdrehen, kümmert sie das nicht."

dpa