Abendmahl: Friedrich mahnt zu Geduld
Bayerns evangelischer Landesbischof Johannes Friedrich warnt die Christen in Deutschland vor zu viel Hoffnung auf ein Ende der Trennung beim Abendmahl. "Da wird auch durch den Ökumenischen Kirchentag keine neue Bewegung kommen", sagte er in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zugleich ermutigte der Bischof Katholiken und Protestanten, ihre Gemeinsamkeiten im Glauben in den Mittelpunkt zu stellen. Zum Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) im Mai in München werden weit über 100.000 Gäste erwartet.
31.03.2010
Die Fragen stellte Achim Schmid

Frage: Befürchten Sie, dass sich in einer "Negativ-Ökumene" die Skandale in der katholischen Kirche im öffentlichen Bewusstsein auch auf die evangelische Kirche übertragen?

Friedrich: Meine Angst ist in der Tat, dass durch diese Vorgänge generell Vertrauen in die Kirche verloren geht. Die Öffentlichkeit unterscheidet häufig nicht mehr zwischen katholisch und evangelisch. Ich will mich selbst da auch überhaupt nicht abgrenzen. Unsere gemeinsame Aufgabe wird jetzt aber sein, den Menschen deutlich zu machen, dass es für sie von Bedeutung ist, in einer Kirche zu sein. Ich bin fest davon überzeugt, dass Menschen eine religiöse Gemeinschaft wie die Kirche brauchen, in der sie miteinander beten und singen können, in der sie Hilfe und Zuspruch bekommen in existenziellen Lebenssituationen, wie etwa Trauerfällen.

Frage: Im Vorfeld des ÖKT haben Sie mehrfach gesagt, dass die vielen ökumenischen Kooperationen, die sich zur Vorbereitung getroffen haben, auch nach dem Kirchentag weiter laufen sollen.

Friedrich: Da bin ich wirklich optimistisch. Viele Kooperationen sind schon so eingespielt, dass sie zu Selbstläufern werden. Als Bischof werde ich aber dazu ermuntern, auch nach dem Kirchentag mit den Projekten und Initiativen, vor allem in den Gemeinden und Gruppen, weiterzumachen.

Übereinstimmungen im Vordergrund

Frage: Wie kann der spezifische Beitrag der evangelischen Kirche auf dem Kirchentag aussehen?

Friedrich: Das wichtigste ist unser evangelisches Profil, zu dem ja unabdingbar das "Ökumenisch-Sein" dazu gehört. Deshalb wollen wir deutlich machen, was wir unter Ökumene verstehen. Die gemeinsame Basis zu anderen Konfessionen ist, dass wir alle gemeinsam den gekreuzigten Jesus Christus als den Auferstandenen verkündigen. Darauf möchte ich während des Kirchentags immer wieder hinweisen. Am Samstagabend werden wir in der Münchner Matthäuskirche einen Abendmahlgottesdienst mit der Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen in Europa (GEKE) halten. Mit den anderen evangelischen Kirchen, wie den Reformierten oder den Methodisten ist ein gemeinsames Abendmahl ja möglich. Grundsätzlich sollten bei dem Ökumenischen Kirchentag nicht in erster Linie das eigene Profil, sondern die Übereinstimmungen aus dem gemeinsamen Glauben heraus im Mittelpunkt stehen. In den theologischen Diskussionen sollten wiederum auch die Differenzen bewusst nicht ausgespart bleiben.

Frage: Kann die auf dem Kirchentag vorgesehene orthodoxe Vesper des "Brotebrechens", die sogenannte Artoklasia, eine neue Form der interkonfessionellen religiösen Feier werden? Das Segnen und Brechen des Brotes erinnert doch an die urchristliche Agapefeier.

Friedrich: Es ist durchaus möglich, dass diese Form weiter trägt. Im christlichen Bereich haben wir die alte Form der Agapefeier, die natürlich auch von Katholiken und Protestanten praktiziert werden kann. Besonders schön an der orthodoxen Form des Brotebrechens ist, dass an ihr ohne weiteres auch nichtorthodoxe Christen teilnehmen können. Sie ist also völlig frei von jedweden Verdächtigungen, hier würde etwas gemacht, was gegen die Regeln irgendeiner Konfession ist.

Frage: Sollte der Kirchentag ein Anlass sein, neben dem Verhältnis von evangelischer und katholischer Kirche auch die anderen Konfessionen, insbesondere die Orthodoxen, stärker in den Blick zu nehmen?

Vielfältige orthodoxe Beteiligung

Friedrich: Diese Ausweitung der Ökumene begrüße ich sehr. Im Vergleich zum 1. Ökumenischen Kirchentag in Berlin wird das bereits an der personellen Zusammensetzung deutlich. Im Präsidium des 2. ÖKT hat auch die orthodoxe Kirche Sitz und Stimme. In München zeichnen sich die orthodoxe Kirche und ihr Bischof Malamoussis ja immer schon durch eine große ökumenische Offenheit aus.

Frage: Wird der ökumenische Dialog durch die Ausweitung schwieriger, weil andere theologische Fragen und Differenzen, wie etwa das Taufverständnis der Baptisten in den Vordergrund rücken? Oder erwarten Sie eher eine neue Bereicherung?

Friedrich: Beides. Natürlich wächst durch mehr theologisch unterschiedliche ökumenische Gesprächspartner auch die Anzahl der Felder, auf denen es Differenzen gibt. Das macht die Ökumene natürlich nicht einfacher. Für mich überwiegt jedoch der positive Aspekt einer Bereicherung. Denn diese Öffnungen können auch aus festgefahrenen Beziehungen und Fragestellungen hinaus führen.

Frage: Ein festgefahrenes Problem ist das gemeinsame Abendmahl.

Friedrich: Da wird auch durch den Ökumenische Kirchentag keine neue Bewegung kommen. Nach katholischem Verständnis ist nur dann eine gemeinsame Eucharistiefeier mit Kirchen möglich, mit denen eine vollständige Kirchengemeinschaft besteht. Das Abendmahl wäre dann also der absolute Endpunkt der Entwicklung. Der Hauptunterschied liegt nach wie vor im unterschiedlichen Amtsverständnis: Der katholische Priester hat im Gegensatz zum evangelischen Pfarrer als geweihter Mitarbeiter des katholischen Bischofs einen anderen Stand als die Laien. Zu einem anderen Ergebnis in der Abendmahlsfrage, in der wir theologisch nicht so weit auseinander sind, kämen wir vermutlich, wenn die deutsche römisch-katholische Kirche unabhängig wäre von der römisch-katholischen Weltkirche. In anderen Teilen der Welt, in der katholische Christen die überwiegende Mehrheit stellen, ist ein gemeinsames Abendmahl aber keineswegs das wichtigste Thema. Wir Evangelischen müssen einfach auch akzeptieren, dass die Katholiken in einer Weltkirche organisiert sind.

"Unglaublich weit vorangekommen"

Frage: Wie ist denn der Stand der Ökumene hierzulande? Die Einschätzungen schwanken von Eiszeit bis hin zu neuen Aufbrüchen und blühender Ökumene an der Basis.

Friedrich: Eine Eiszeit sehe ich nirgends, das halte ich für eine völlige Fehleinschätzung. Man kann immer wieder nur darauf hinweisen: Wir - also Katholiken und Protestanten - haben uns 450 Jahre auseinanderentwickelt, seit gerade mal 45 bis 50 Jahren, also seit dem Zweiten Vaticanum, gehen wir wieder aufeinander zu. Dafür sind wir unglaublich weit vorangekommen. Das Zusammenwachsen an der Basis geht unvermindert weiter, die Atmosphäre unter den Kirchenleitungen ist immer besser geworden, gerade auf dieser Ebene ist in den letzten Jahren ein großes Maß an Vertrauen entstanden. Dass es jetzt nicht mehr mit der gleichen Geschwindigkeit vorwärts geht, liegt einfach daran, dass jetzt nur noch die Probleme übriggeblieben sind, die eben schwer zu lösen sind - schon gar nicht durch ein Hau-Ruck-Verfahren. Auf dem ökumenischen Weg ist schon soviel an Hindernissen weggeräumt worden, dass wir jetzt bei den echten Knackpunkten angelangt sind, wie Abendmahl und Amtsverständnis.

Frage: Wie schätzen Sie konfessionsübergreifende Koalitionen ein, die sich etwa zwischen Traditionalisten bei den Anglikanern, Katholiken oder Orthodoxen abzeichnen?

Friedrich: Nach meinen bisherigen Beobachtungen kann ich mir solche Koalitionen überhaupt nicht vorstellen. Natürlich gibt es in allen drei Kirchen Traditionalisten. Aber diese Christen sind ja gerade so dezidiert traditionell in ihren eigenen Konfessionen, dass sie keine Verbindungen mit Traditionalisten in anderen Kirchen eingehen wollen. Den Progressiven würde das leichter fallen. Das Angebot des Papstes, dass sich traditionelle Anglikaner in einer römisch-katholischen Diözese in England vereinigen können, ist nicht auf große Resonanz gestoßen. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass eine solche Diözese zustande gekommen ist.

Gespräch mit den Muslimen suchen

Frage: Wird der ökumenische Dialog, der das kirchenhistorische Thema des 20. Jahrhunderts war, nun vom interreligiösen Gespräch abgelöst?

Friedrich: Das sehe ich überhaupt nicht so. Richtig ist, dass der interreligiöse Dialog im 21. Jahrhundert eine noch größere Rolle spielen wird als früher. Das liegt an der zunehmend globalisierten Welt, an der großen Zahl von Muslimen, die unter uns leben und mit denen wir leben wollen. Die beiden Formen des Dialogs stehen aber nicht in Konkurrenz, sondern sind beide gleichermaßen nötig. Das interreligiöse Gespräch ist kein Grund, den Dialog mit den Katholiken und den anderen ökumenischen Partnern nicht weiterzuführen. So kann es beispielsweise nur gut sein, wenn in Deutschland die römisch-katholische und die evangelische Kirche ausgehend von einer gemeinsamen Basis das Gespräch mit den Muslimen suchen. In den kirchlichen Stellungnahmen gibt es beispielsweise schon heute wenige Differenzen - etwa bei der strittigen Frage, ob und wie Moscheen gebaut werden können.

epd

Johannes Friedrich (61) ist seit 1999 Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern sowie seit 2005 leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), dem Zusammenschluss lutherischer Landeskirchen. Er gehört dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an und ist in seiner Funktion als Landesbischof einer der Gastgeber des Ökumenischen Kirchentages.