Ostergaffer – die Kreuzigung im Twitterversum
Was hat sie wohl gedacht, die Marktfrau, als der Rabbiner gekreuzigt wurde, den ihre Kinder so sehr liebten? Direkt aus dem Jahr 33, als Jesus ans Kreuz geschlagen wurde, melden sich beim Ostergaffer sechs Zeitgenossen. Sie twittern, was sie sehen, hören und darüber denken. Ein buntes Mosaik der Ostergeschichte entsteht.
29.03.2010
Von Ingo Schütz

Kaum geschlafen. Mache mir Sorgen wg. #Weizen. Mirjam: ‚Keine Sorge, selbst Spatzen erhält Gott.’ Von wem hat sie das?“ Der da so sorgenvoll twittert, ist ein Zeitgenosse Jesu. Er meldet sich aus Jerusalem im Jahre 33 A.D.

Gemeinsam mit ERF Online inszeniert evangelisch.de die ersten Twitter-Passionsspiele im Internet. Fiktive Figuren aus der Zeit Jesu sind seit dem 15. März im Netz aktiv. Sie twittern aus dem Jahr der Kreuzigung, was sie sehen, hören und darüber denken. Beginnend bei Alltäglichem wie der Sorge um Brot und Arbeit, bis hin zu den Außergewöhnlichen Geschehnissen an Ostern.

Wer hat Judas auf dem Gewissen?

Simon kommt mir entgegen - #Judas hat sich umgebracht! Was ist da passiert? Simon völlig außer sich. Und dann Kreuzigung: In der Mitte Rabbi #Jesus. Der hat Judas auf dem Gewissen ...“ Aus ihrer ganz eigenen Perspektive beleuchten die sechs Charaktere das aus den Evangelien bekannte Geschehen. Dabei treten die Lebenswelt in Judäa vor 2.000 Jahren ebenso ans Licht wie die persönliche Betroffenheit, aber auch Ablehnung des Mannes aus Nazareth.

So ergibt sich ein zeitgenössisches Stimmengewirr aus verschiedenen Blickwinkeln und sozialen Ständen. Die Tweets werden auf Facebook integriert, gesammelt und können in chronologischer Reihenfolge eingesehen werden. Internetnutzer können sich über www.ostergaffer.de bei Facebook oder über twitter.com/ostergaffer bei Twitter einklinken und die Geschehnisse live verfolgen.

Zum Mitmachen

Das Besondere an der Aktion ist aber die Möglichkeit, als Zuschauer selbst aktiv zu werden. Wer den "Ostergaffern" bei twitter oder Facebook verfolgt, kann seine Kommentare an die handelnden Charaktere schicken und mit ihnen ins Gespräch kommen. Mehrere hundert User haben sich in das Passionsspiel bereits eingeklinkt und haken bei den Zeitgenossen Jesu nach.

So schreibt Bathjamin, die Frau eines Angestellten am Hofe des Herodes, über ihre Freundin: „Wo Johanna wohl grade ist? Mit Rabbi Jesus nach Galiläa, hatte sie gesagt, hoffentlich geht es ihnen gut ...“, und Kathrin Bluhm aus der Jetztzeit antwortet ihr: „Wer mit Jesus geht dem geht es sicher gut. Keine Sorge.“ Bathjamin wiederum findet diese Sorglosigkeit gar nicht lustig: „@Kathrin Bluhm - Keine Sorge?! Sie wandern immerhin durch Galiläa! Ich sage nur: ‚galil ha-gojim’, ‚Bezirk der Heiden’! Naja, mir solls recht sein ...

Alltag und Aufsehen

Neben dem pharisäischen Bäckermeister Elieser, der an seinen Weizen denkt, und dem jesuskritischen Zeloten Jojakim im Kampf gegen die römische Besatzungsmacht, twittert auch die 25-jährige Marktfrau Tamar. Sie schreibt über ihren Alltag mit den beiden Kindern auf einem Marktplatz in Jerusalem, auf dem sie ihre Waren verkauft. Über ihre Kinder erfährt sie von dem fremden Mann, der immer vom „Reich Gottes“ spricht.

Eine ganz andere Perspektive nimmt der Pilger Philostratus ein. Er ist eigentlich Beamter in Alexandria, möchte aber zum Pessachfest nach Jerusalem reisen, um die jüdische Religion vor Ort kennenzulernen. Er twittert unterwegs auch von seiner beschwerlichen Reise und den Menschen, die er trifft. Nicht wenige erzählen ihm von einem Rabbi namens Jesus, der in ihrer Gegend für Aufsehen gesorgt haben soll ...


Ingo Schütz ist Diplom-Theologe, angehender Pfarrer und einer der Initiatoren der "Ostergaffer"-Aktion.