Rom und das Geld: Neues über die Vatikan-Finanzen
Geheime Unterlagen, die in einem Bauernhaus in der Schweiz gefunden wurden, sind Grundlage für das Buch "Vatikan AG" des italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi. Nun ist es auch auf Deutsch erschienen. Der Autor beklagt eine "Mauer des Schweigens", die um das Finanzgebaren der katholischen Kirche gezogen sei.
29.03.2010
Von Roland Siegloff

Eine "Mauer des Schweigens" stellt der Autor fest und moniert die absolute Diskretion der Beteiligten. "Dieses Stillschweigen schützt das Vertrauensverhältnis zu den Gläubigen, um Schäden wie die der jüngsten Vergangenheit zu vermeiden. Nicht zuletzt nützt diese Verschwiegenheit aber auch den Seilschaften der Kardinäle und hilft ihnen, ihre Machtposition weiter zu festigen." Der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi beschreibt in "Vatikan AG" das Finanzgebaren der katholischen Weltkirche.

Das Buch, das im vergangenen Jahr in Italien zum Bestseller wurde und nun in deutscher Sprache vorliegt, verspricht nicht weniger als "die Wahrheit über die Finanz- und Politskandale der Kirche". Zwei Koffer voller Dokumente wertete der Reporter der Zeitschrift "Panorama" dafür aus. Versteckt waren die geheimen Unterlagen im Keller eines abgelegenen Bauernhauses im schweizerischen Tessin: "Als ich die Papiere sah, habe ich gleich erkannt, dass davon mehr zu machen war als ein Artikel für das Magazin", erinnert sich der Italiener.

Spektakulärer Bankencrash

Der Mann mit den wachen Augen im kurz geschorenen kantigen Schädel verfolgt Italiens Affären seit 1994. Der spektakuläre Zusammenbruch der Ambrosiano-Bank hatte die undurchsichtigen Finanzgeschäfte des Vatikans schon 1982 erschüttert. Damals schien es, als seien Buße und Besserung in Sicht. "Aber die Dokumente belegten, dass die Machenschaften noch besser getarnt weitergingen", erzählt Nuzzi. Das Archiv aus dem Nachlass von Monsignore Renato Dardozzi, bis Ende der 1990er Jahre eine führende Figur in der Verwaltung der Kirchenfinanzen, erlaubte dem Reporter einen genauen Einblick in diese Geschäfte.

"Ich habe mich sehr einsam gefühlt vor der Masse der Dokumente", sagt Nuzzi (Foto: Verlag). "Es war ein großes Leiden, sich mit dem Material zu befassen." Er legt Wert auf die Feststellung, kein Buch gegen die katholische Kirche verfasst zu haben. Er habe zu der Institution keine einheitliche Meinung. Die Kirche sei von Menschen gemacht - "da sind sicher auch Helden dabei". Und überhaupt: "Ich habe als Journalist immer versucht, das Berufliche und das Private auseinander zu halten", betont Nuzzi. "Wesentlich sind die Fakten an sich."

Das Undurchschaubare erklären

An den Fakten aus Dardozzis Dokumenten hangelt sich der Autor durch die Finanzwelt des Vatikans. Er versucht, das Undurchschaubare verständlich zu machen. "Das war eine große Mühe und Verantwortung", hebt er hervor. Der Leser bleibt gefordert, sich intensiv auf die vielfältigen Akteure und Verzweigungen einzulassen. Aber ein Glossar, zahlreiche Anmerkungen und im Faksimile dokumentierte Papiere helfen ihm dabei. Viele Leser reagierten verblüfft und fassungslos. "Das ging mir beim Schreiben genauso", sagt Nuzzi. "Es war schwierig, nicht abzurutschen in Ironie oder sonstige persönliche Beurteilungen, die sich aufdrängen."

Verstrickungen mit der Mafia, Geldwäsche. Stiftungen, die nur in zynischen Namen existieren. Rechtshilfeersuchen, die an den Mauern des Vatikans abprallen. Papst Johannes Paul II. (1978-2005) wurde auf die Fortsetzung der Missstände aufmerksam gemacht, sagt Nuzzi, aber er habe nichts getan: "Es wurde eher noch schlimmer." Wie im aktuellen Missbrauchsskandal kommen die Fakten erst Jahre später ans Licht: "Das ist ein Maß für die Macht, die die Kirche in der Welt ausübt."

Die weltliche Justiz

Der heutige Papst gebe ein schwächeres Bild in der Öffentlichkeit ab als Johannes Paul II., meint der Autor. Aber keiner sage so deutlich wie Benedikt XVI., dass die Verantwortlichen sich auch der weltlichen Justiz stellen müssten: "Das hat es vorher so nicht gegeben." Wird aus dem Reden ein Handeln? Nachdem "Vaticano S.p.A.", das italienische Original von "Vatikan AG", im Mai 2009 herauskam, wurde Angelo Caloia nach 20 Jahren an der Spitze der Vatikanbank IOR vorzeitig aus dem Amt entlassen. Doch die Verstrickungen der Kirchenbanker sind vielfältig und kompliziert.

Die wahren Bilanzen des Kirchenstaats, auch das stellt Nuzzi dar, blieben in der Vergangenheit jedenfalls stets im Verborgenen: "Detailliert werden die Einnahmen aus der Vatikandruckerei und die Erlöse aus dem Verkauf der Museumstickets aufgeschlüsselt, über die Gewinne der eigenen Bank jedoch dringt nichts nach draußen." Sein gut 350 Seiten starkes Buch macht deutlich, dass dieses Institut hinter neun Meter dicken Mauern einige Milliarden Euro an Kundengeldern und eigenen Mitteln verwaltet. Was mehr als genug wäre, um deutschen Missbrauchsopfern halbwegs angemessene Entschädigungen zu zahlen.

Gianluigi Nuzzi: Vatikan AG. Ein Geheimarchiv enthüllt die Wahrheit über die Finanz- und Politskandale der Kirche, Salzburg 2010. Ecowin Verlag, 360 Seiten, 22,50 Euro.

dpa