Lübecker Bürger stoppen Aufmarsch von Neonazis
Mit Sitzblockaden haben Gegendemonstranten am Samstag einen Aufmarsch von Neonazis in Lübeck gestoppt. Auch in Neuruppin gab es Proteste gegen Rechtsextremisten.

Die Polizei in der Hansestadt sprach von 1.300 Protestierenden, die Veranstalter von 2.500 Teilnehmern. Die "menschen- und gottverachtende Ideologie" der Nationalsozialisten dürfe sich weder in Lübeck noch in Deutschland breitmachen, sagte die evangelische Bischöfin Maria Jepsen bei einer Kundgebung. Im brandenburgischen Neuruppin stellten sich rund 2.000 Demonstranten einem Neonazi-Aufmarsch entgegen. Die Polizei löste die Blockade nach einer Stunde auf.

Nach Polizeiangaben waren rund 250 Neonazis aus Norddeutschland nach Lübeck gekommen. Der Aufmarsch war als Trauerzug für die Opfer des Bombenangriffs der britischen Luftwaffe auf Lübeck am Palmsonntag 1942 angemeldet worden. Nach dem Ende der Gegendemonstration kam es ebenso wie in Neuruppin zu Ausschreitungen von Autonomen. Über das genaue Ausmaß herrschte zunächst Unklarheit.

Kirchen an Bündnis beteiligt

Den Rechtsextremisten standen bei den Sitzblockaden in Lübeck etwa 450 Menschen gegenüber. Eine Auflösung durch die Polizei hätte nach deren Einschätzung zu erheblichen Ausschreitungen geführt, so dass der Versammlungsleiter der Rechtsextremisten den Aufmarsch beendete. Bei den anschließenden Ausschreitungen wurden nach Polizeiangaben acht Menschen vorläufig festgenommen, 14 kamen in Gewahrsam. Einige Schaufenster seien zerstört und Polizisten mit Flaschen beworfen worden.

Gegen den Aufmarsch der Neonazis in Lübeck hatte sich ein breites Bündnis aus Kirchen, Gewerkschaften und Parteien zusammengeschlossen. Begonnen hatten die Proteste am Morgen mit vier ökumenischen Andachten in der Innenstadt. Der katholische Erzbischof Werner Thissen warnte in seiner Predigt vor den "Götzen" der Ungerechtigkeit, Friedlosigkeit und NS-Ideologie. Stattdessen sollte sich das Leben am Gott der Liebe und der Würde orientieren. Beteiligt hatten sich an dem Protest auch Vertreter der Jüdischen Gemeinden und der muslimischen Alleviten.

"Neuruppin bleibt bunt"

In Neuruppin protestierten rund 2.000 Menschen gegen einen Aufmarsch von etwa 350 Neonazis. Die weitgehend friedlichen Proteste begannen am Vormittag mit einem Demokratiefest des Aktionsbündnisses "Neuruppin bleibt bunt". Mit Sitzblockaden versuchten später etwa 50 vornehmlich linke Gegendemonstranten den Neonazi-Aufmarsch immer wieder zu stoppen. Nachdem eine der Blockaden nach rund einer Stunde aufgelöst wurde, konnte die Polizei nach Medienberichten nur mit Mühe gewaltsame Ausschreitungen verhindern. Wechselseitig seien Flaschen, Böller, Obst und andere Gegenstände geflogen, berichtet der "Ruppiner Anzeiger" auf seiner Internetseite.

Eine weitere Sitzblockade wurde von der Polizei umgehend aufgelöst. Auch spätere Störversuche seien "im Keim erstickt" worden. Nach Angaben der Polizei wurden unter anderem 67 Platzverweise erteilt, 15 Strafanzeigen gestellt und zwei Menschen festgenommen. Vier Polizisten wurden verletzt.

"Kultur der Aufmerksamkeit"

Der Berliner Bischof Markus Dröge warnte vor den Strategien der modernen Nazis, die Gerechtigkeitslücken in der Politik geschickt aufgreifen und scheinbar einfache Lösungen anbieten würden. Zudem seien Rechtsextremismus und Rassismus im Alltag nicht leicht zu erkennen. Rechtsextreme würden nicht nur mit Glatze und Springerstiefel auftreten, sondern durchaus auch im bürgerlichen Outfit, mit fremdenfeindlichen Sprüchen, rassistischen Vorurteilen, sexistischen Witzen. Gebraucht werde deshalb "eine Kultur der Aufmerksamkeit".

epd