Warum die Angst vor dem Klimawandel schwindet
Immer weniger Deutsche fürchten den Klimawandel und wollen etwas zum Kampf gegen die Erderwärmung beitragen. Viele sorgen sich stattdessen um den eigenen Lebensstandard. Das ist Ergebnis einer aktuellen Umfrage.
27.03.2010
Von Stefan Fuhr

Wer schon immer am Klimawandel gezweifelt hat, fühlt sich bestätigt: eiskalter Winter, fehlerhafte Prognosen des Weltklimarats - deutet nicht manches darauf hin, dass die Warnungen vor dem nahenden Klimakollaps übertrieben sind? Tatsächlich schwindet die Angst vor der weltweiten Erwärmung, wie eine neue "Spiegel"-Umfrage zeigt. Demnach fürchten sich jetzt nur noch 42 Prozent der Deutschen vor dem Klimawandel, 2006 waren es noch 62 Prozent. Dass in diesem Jahr weltweit der wärmste Januar seit mehr als 30 Jahren verzeichnet wurde, ist offenbar nur wenigen bewusst.

Für Experten kommt die neue Sorglosigkeit nicht überraschend. "Das Grundproblem ist: Der Klimawandel lässt sich - anders als das Wetter - nicht sinnlich wahrnehmen", erläutert der Umweltpsychologe Immo Fritsche von der Universität Jena. "Der menschliche Informationsapparat setzt aber vor allem auf die Sinne." Von einem kalten Winter bleibe deshalb "immer etwas hängen, eine Assoziation", auch wenn der Klimawandel wissenschaftlich gut belegt sei. "Die Leugner des Klimawandels nutzen diese Unsicherheit, um ihre Thesen zu stützen", sagt der Wissenschaftler.

Autofahrer besonders skeptisch

In einem Experiment hat Fritsche herausgefunden: Wer die Erderwärmung anzweifelt, scheut vor allem die Mühen des Klimaschutzes und eine tiefgreifende Veränderung seines Lebensstils. In Fragebögen konfrontierte er zwei Gruppen von Studenten mit unterschiedlichen Szenarien, wie sie ihr Leben angesichts der Erderwärmung zu ändern hätten. Anschließend wurden sie nach ihren Einstellungen zum Klimawandel befragt. Ergebnis: Wem erklärt wird, er müsse künftig zum Beispiel aufs eigene Auto verzichten, der zweifelt eher an der Erderwärmung als jemand, der nur häufiger mit Bus und Bahn fahren soll.

Politische Einstellungen, die auch angegeben werden mussten, wirkten sich dagegen nicht auf das Antwortverhalten aus: Ein Grünen-Wähler tendiert also nicht eher dazu, an den Klimawandel zu glauben, als etwa ein CDU-Anhänger.

Ökonomie statt Ökologie

Die meisten Menschen wollen also ihren Lebensstandard halten. Deshalb bremst auch die derzeitige Wirtschaftskrise den Klimaschutz-Eifer. "Das dominante Thema ist die ökonomische Lage", sagt der Umweltpsychologe Florian Kaiser von der Universität Magdeburg. Die Sorge um das Weltklima trete in der Folge in den Hintergrund. "Die Bevölkerung will zunächst Brot auf dem Teller, bevor sie sich mit Klimaschutz beschäftigt."

Eine weitere Motivationsbremse: Das Scheitern des Weltklimagipfels im vergangenen Dezember in Kopenhagen. "Die Leute sehen den Misserfolg der Konferenz als Signal für sich selbst", sagt Kaiser: "Wenn die internationale Klimapolitik sich nicht einigen kann, dann heißt das für viele, es besteht kein Handlungsbedarf." Sein Kollege Fritsche formuliert es so: "Wenn der Eindruck entsteht, dass die Menschen in China ihr Verhalten nicht ändern müssen, wird auch bei uns das Engagement für Klimaschutz gebremst."

Schreckensbilder helfen nicht

Auch apokalyptische Visionen vom Klimakollaps erhöhen nach Erkenntnissen der Experten nicht die Motivation, sich fürs Klima zu engagieren. "Katastrophenszenarien machen uns hilflos", erläutert Kaiser. Sie seien kein geeignetes Mittel, die Menschen zum Umdenken zu bewegen, sondern führten in die Lethargie.

Einige Schreckensbilder haben sich inzwischen ohnehin als Irrtum erwiesen. Dazu zählen falsche Prognosen des Weltklimarates, der unter anderem die Gefahr von Dürren in Afrika offenkundig übertrieben hat. An den Grundaussagen zum Klimawandel ändere das nichts, beteuern die Klimaforscher. Doch mit der Pannenserie der Forschung ist es so wie mit dem strengen Winter, sagen die Umweltpsychologen: Ein Zweifel wird hängen bleiben.

epd