Vor der Wahl im Sudan nehmen die Spannungen zu
Zwei Wochen vor den Wahlen im Sudan dreht Präsident Omar al-Baschir richtig auf. Seine Stimme dröhnt ins Mikrofon, überschlägt sich. "Jeder, der Alkohol trinkt, wird ausgepeitscht", ereifert sich Al-Baschir vor einer Gruppe konservativer muslimischer Sufis in der Hauptstadt Khartum. Der Präsident bangt offenbar um seinen Sieg, wenn vom 11. bis 13. April im Sudan die ersten freien Wahlen seit mehr als 20 Jahren stattfinden.
26.03.2010
Von Marc Engelhardt

Seit Wochen frohlocken Oppositionskandidaten über die wachsende Unsicherheit bei Al-Baschir und seiner Nationalen Kongresspartei. Und deshalb gibt er sich, wie schon in der Vergangenheit, als islamistischer Hardliner. Der Präsident ist seit einem Putsch von 1989 an der Macht.

Wegen der Gräuel in Darfur im Westen des Sudan wird Al-Baschir vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag als Kriegsverbrecher angeklagt. Im westlichen Ausland muss er daher seine Festnahme fürchten. Von einer Wiederwahl in einem fairen und freien Urnengang erhofft er sich daher eine demokratische Legitimation, um einem Prozess doch noch entgehen zu können.

Opposition unterdrückt, Wahl manipuliert

Afrika-Kenner rechnen fest damit, dass Al-Baschir gewinnt - auch deshalb, weil die Opposition im Sudan systematisch unterdrückt wird. So beklagen Mitglieder einer Jugendgruppe, die für einen Wechsel an der Staatsspitze wirbt, dass mehrere ihrer Mitstreiter grundlos verhaftet und misshandelt worden seien. "Sie haben mich erst mit Stöcken und Rohren verprügelt", berichtet der 18-jährige Mahadi Badawi. "Dann haben sie eine Pistole an meinen Kopf gehalten und so getan, als würden sie mich hinrichten."

Kritiker werfen der regierenden Kongresspartei zudem vor, die Wahlkommission zu ihren Zwecken zu missbrauchen. So hängen die Wählerlisten bis heute nicht öffentlich aus, obwohl das Wahlgesetz dies verlangt. Allein im südsudanesischen Bundesstaat Eastern Equatoria, wo Al-Baschir mit wenig Unterstützung rechnen kann, fehlen mindestens 11.000 Wählernamen in den Listen.

Wegen der Unregelmäßigkeiten mehren sich die Stimmen, die eine Verschiebung der Wahlen fordern. "Die politische Atmosphäre lässt freie und faire Wahlen nicht zu", erklärt Yasir Arman, Präsidentschaftskandidat der südsudanesischen "Volksbefreiungsbewegung" (SPLM). Arman ist Muslim und stammt aus dem arabisch geprägten Norden Sudans. Doch er kandidiert für die ehemalige Rebellengruppe aus dem schwarzafrikanisch und christlich beeinflussten Süden.

Umgehung der Vereinten Nationen

Amtsinhaber Al-Baschir, so behauptet sein Herausforderer Arman, lasse die Wahl bereits jetzt manipulieren, bevor internationale Beobachter im Land sind. "Die Wählerkarten sollten im Ausland gedruckt werden, stattdessen haben Al-Baschirs Leute sie in Khartum drucken lassen", klagt Arman. "Dann haben sie versucht, die Karten im Süden von der sudanesischen Armee verteilen zu lassen statt wie vereinbart von den UN."

Arman will die Vorfälle vor einer Wahl aufklären lassen. Zudem sollen strittige Grenzfragen und die umstrittenen Volkszählungsergebnisse geprüft werden - das würde Monate dauern. Arman ist mit seiner Forderung nicht alleine: 17 Oppositionsführer haben Al-Baschir ein Ultimatum bis Montag, 29. März, gesetzt, die Wahlen zu verschieben. Sonst drohe ein Boykott.

Ob die Opposition ihre Drohung wahr macht, ist unklar. Der Parteichef und Präsident des halbautonomen Südsudan, Salva Kiir, hat bereits angekündigt, er werde einer Verschiebung der Wahlen nur dann zustimmen, wenn das für Januar 2011 geplante Referendum über die Unabhängigkeit des Südens (s. Karte, mit Angaben zur Vertreibung in der Region Darfur) planmäßig stattfindet.

Verschiebung könnte doch noch passieren

Menschenrechtler werfen der SPLM vor, im Süden ihrerseits jede oppositionelle Regung zu unterdrücken. In Yambio wurden vor wenigen Tagen Anhänger unabhängiger Kandidaten grundlos festgenommen, in Maridi T-Shirts eines Oppositionskandidaten öffentlich verbrannt. "Wir sind diese Art von Einschüchterungskampagnen gewöhnt", sagt Adel Sandrai, der als unabhängiger Kandidat antritt. Im Süden sind vielerorts ethnische Konflikte seit Jahresanfang eskaliert. Viele murren über die SPLM.

Ob der Wahltermin doch noch verschoben wird, ist völlig offen. Selbst Al-Baschir relativierte inzwischen seine Ablehnung. Vor wenigen Tagen hatte er noch vehement geschimpft: "Jeder Ausländer, jede Organisation, die eine Verschiebung der Wahlen fordert, wird umgehend ausgewiesen." Doch nun gibt er sich ungewohnt moderat und sagt: "Wenn die Wahl verschoben wird, macht diese Regierung vorerst weiter."

epd