Kirchen wollen für Urlauber gute Gastgeber sein
Urlauber in Deutschland suchen nicht nur Erholung, sondern zunehmend auch spirituelle Erfahrungen. Grund genug für die Kirchen, verstärkt über ihre Angebote in der Tourismusseelsorge nachzudenken. Viele Gemeinden haben bereits Probleme mit dem Besucheransturm. Vor allem fehlt ihnen das Personal.
25.03.2010
Von Anne-Dorle Hoffgaard

Werbung ist vielleicht nicht alles, aber wichtig. Das sehen auch die evangelischen Kirchengemeinden der vorpommerschen Kaiserbäder Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin auf Usedom so. Mit dem Stichwort "Kirche am Meer" in ihrem Logo versehen sie Plakate, Gemeindebriefe und Programmhefte. Es gibt eben nicht nur "Hotels am Meer", sondern auch die Kirche, die mit einem besonderen Angebot für Urlauber aufwartet, sagt der Heringsdorfer Pfarrer Tilman Beyrich. Beim Kongress "Himmlische Ferien" zum Thema Kirche und Tourismus in Fleesensee (Müritzkreis) stellte er vor kurzem die Urlauberarbeit in Heringsdorf vor.

In den Kaiserbädern gehören etwa 50 Konzerte und zehn literarisch-musikalische Abende, Gottesdienste mit speziellen Predigtreihen für Urlauber sowie Abendandachten zum Angebot. Über ein "Christliches Gastgeberverzeichnis" auf der gemeinsamen Internetseite der drei Kirchengemeinden könnten Urlaubsgäste mit Kirchenmitgliedern in Kontakt kommen. "Auf diese Weise sind schon sehr nette Kontakte zustande gekommen", sagt Beyrich.

Im Posaunenchor mitmachen

Zudem gibt es in der Heringsdorfer Kirche einen Eine-Welt-Laden und einen Büchertisch für christliche Urlaubslektüre. Das Angebot wird von Urlaubern viel genutzt, erzählt Beyrich. Immer wieder suchten Gäste Kontakt zu Kirchengemeinden. Manche machten im örtlichen Posaunenchor mit, weil sie davon im Internet gelesen haben. "Das bereichert unsere Veranstaltungen sehr." Viele Menschen fragten sogar wegen Hochzeiten, goldenen Hochzeiten und Taufen an, "weil sie hier schon oft Urlaub gemacht haben".

Auch Kersten Koepcke, der beim mecklenburgischen evangelischen Amt für Gemeindedienst als Beauftragter für Kirche und Tourismus tätig ist, möchte auf Werbung nicht verzichten. In der Hauszeitung des Neptun-Hotels in Warnemünde erscheinen kontinuierlich die Hinweise zu den Kirchgemeindeveranstaltungen, berichtet er. Reisefachleute hätten ihm immer wieder bestätigt, dass die Internetseiten mit kirchlichen Angeboten am häufigsten aufgerufen würden.

Klöster zählen eine Million Besucher

Auch wenn Urlauber nach Angaben des Landestourismusverbandes vorwiegend wegen Natur, Seen, Aktivitäten, Erholung und Entspannung Mecklenburg-Vorpommern als Reiseziel wählen, besucht doch immerhin etwa jeder zweite der 10,7 Millionen Übernachtungsgäste auch eine Kirche. Über eine Million Besucher würden allein in Klöstern gezählt.

Der Besucheransturm ist für viele Gemeinden mitunter ein Problem. Viele Kirchen hätten zu wenig Personal oder kaum finanzielle Mittel für spezielle Angebote für die Urlaubsgäste, sagt Koepcke. Deshalb regt er an, Angebote wie "Kirche am Urlaubsort" und "Kirche unterwegs" in touristischen Hochburgen wie Rügen und Usedom als missionarische Aufgabe der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu verstehen und als Pilotprojekt finanziell zu unterstützen.

"Tritt ein!"

Positive Beispiele kennt Ulrich Schmidt, der beim Gemeindedienst der nordelbischen Kirche arbeitet, aus seiner Landeskirche. An Nord- und Ostsee sei "Kirche am Urlaubsort" bereits "ein gelungenes Beispiel" einer Zusammenarbeit zwischen Kurverwaltung, örtlicher Kirchengemeinde und dem Gemeindedienst. Die Kosten würden geteilt, die Kurverwaltung stelle meist die Unterkunft für die mehr als 70 Mitarbeiter und sorge für einen Zuschuss zu den Verpflegungskosten. Darüber hinaus seien über 150 Kirchen in Nordelbien mit dem Schild "Tritt ein! - Die Kirche ist offen" versehen und oft den ganzen Tag geöffnet.

Auf Usedom fehlen Pfarrer Tilman Beyrich für derartige Angebote momentan die Mitarbeiter. Regelmäßige Angebote für Kinder und Familien wie etwa eine kirchliche Ferienbetreuung am Strand und in den Kurkliniken seien kaum möglich, meint er. Zudem gebe es kaum eine finanzielle Unterstützung durch die Kommunen. Die Pfarrstellen würden ausschließlich nach Gemeindegliederzahl besetzt. Urlauber oder Menschen mit Zweitwohnsitz kämen nicht vor. "Und da sind wir natürlich unterbesetzt für die Zigtausend Urlauber jedes Jahr."

epd