Sexuelle Aufklärung interessiert auch junge Migranten
Jugendliche mit Migrationsgeschichte haben ein hohes Interesse an Informationen zu Liebe, Sexualität und Partnerschaft. Das zeigt die neue Repräsentativbefragung "Sexualität und Migration", die die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zusammen mit dem Forschungsinstitut Sinus Sociovision durchgeführt hat.

Über die Hälfte der 14- bis 17-jährigen Befragten möchte nach eigenem Bekunden mehr über Aids und andere sexuell übertragbare Krankheiten wissen, 47 Prozent äußern Bedarf an Informationen über die verschiedenen Methoden der Empfängnisverhütung. Informationen in deutscher Sprache werden eindeutig bevorzugt: 62 Prozent der Jugendlichen wollen Sexualaufklärung "lieber auf Deutsch". Nur acht Prozent der Jugendlichen würden gerne in der Sprache ihres Herkunftslandes angesprochen werden.

Ein Drittel der Jugendlichen in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, und sind, wie die Studie notiert, "weder eine homogene noch eine besondere Gruppe in unserer Gesellschaft. Ihre Lebenswelten sind genauso vielfältig wie die der alt eingesessenen deutschen Bevölkerung." Anders gesagt: Sie lassen sich nicht alle in eine Schubladen pressen. Darum hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung die Studie "Sexualität und Migration" in Auftrag gegeben, die anhand verschiedener Milieus ein ganz unterschiedliches Interesse der Jugendlichen an Informationen zu Themen wie Liebe, Partnerschaft und Sexualität aufzeigt, welche Zugangswege und welche Informationsquellen sie nutzen.

70 Prozent der jugendlichen Migranten mit modernem Lebensstil

Unterschiede ergeben sich dabei nicht aufgrund der Herkunftsländer ihrer Familien. Entscheidend für die Einstellungen zu Liebe, Sexualität und Partnerschaft, für das Informationsinteresse und ihre Sprachpräferenz ist vielmehr die Zugehörigkeit der Jugendlichen zu unterschiedlichen Lebensstil- und Wertorientierungsgruppen. Diese Milieus sind eindeutig das prägende Element für die Einstellung zu Liebe und Partnerschaft, egal wo jemand herkommt.

Etwa 70 Prozent der jungen Migrantinnen und Migranten besitzen moderne Lebensstile und Wertorientierungen. Sie leben wie Gleichaltrige mit deutschem Familienhintergrund und können mit den gleichen Informationsangeboten wie deutschsprachigen Broschüren, Anzeigen und Berichten in Jugendzeitschriften und Internetangeboten wie dem BZgA-Jugendportal "Loveline" erreicht werden.

Das stärkste Interesse an Informationen äußern Jugendliche des intellektuell-kosmopolitischen Milieus, laut Studie fünf Prozent aller Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Deutlich weniger interessiert an Fragen rund um das Thema Sexualität sind Jugendliche, die aufgrund ihres Lebensstils und ihrer Wertorientierungen dem religiös verwurzelten Migrationsmilieu zugeordnet werden können (drei Prozent aller Jugendlichen). Vor allem über AIDS und Geschlechtskrankheiten, Verhütung und sexuelle Praktiken und Reaktionen wollen die Jugendlichen mehr wissen.

Biologische Themen kommen für viele zu kurz

Ein interessantes Ergebnis der Studie ist auch, dass viele Jugendliche mehr Informationen zu biologischen Themen wie den fruchtbaren Tagen der Frau oder der eigenen körperlichen und sexuellen Entwicklung wollen. Das ist zwar keine Mehrheit, aber die Studie der BZgA stellt fest, dass diese Apekte eigentlich in Schule und Elternhaus abgeklärt werden müssten. Dabei gehört die Schule zu den mit 54 Prozent am häufigsten genannten Informationsquellen. Trotzdem: Hauptinformationsquelle der Jugendlichen für den Bereich Liebe, Sex und Partnerschaft ist das Gespräch mit dem besten Freund oder der besten Freundin.

Ob die Informationen dann auf Deutsch oder in der Sprache ihres Heimatlandes verfügbar sein sollten, hängt bei den Jugendlichen vor allem an der Schulbildung. Jugendliche mit einfacher Schulbildung und aus einem eher traditionsgeprägten Milieu ziehen Informationen in ihrer Sprache vor. Dies kann vor allem darin begründet sein, dass sich mehr als die Hälfte von ihnen mit Freunden und Bekannten vornehmlich in ihrer Herkunftssprache unterhält.

Aufklärung über Schule, Internet und Bravo

Für diese Gruppe von Jugendliche bietet die BZgA bereist Angebote wie das Projekt „komm auf Tour - meine Stärken, meine Zukunft", das bereits frühzeitig Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf bei dem Entdecken ihrer Stärken und Interessen unterstützt. Neben Fragen zur Berufsorientierung und Lebensplanung werden dabei auch Themen wie Freundschaft, Partnerschaft und Sexualität behandelt. Das Internet ist prinzipiell das wichtigste Informationsmedium der Jugendlichen, auch außerhalb der Themen rund um Partnerschaft. Eine ähnlich große Rolle spielt die Sexualaufklärung in populären Jugendzeitschriftenwie der "Bravo".

Die Studie stellt aber auch fest, dass über Print- und Online-Angebote ein kleiner Teil der Jugendlichen dann doch nicht erreicht wird, und zwar der Teil, der Aufklärung und Hilfe in sexuellen Fragen besonders dringend braucht: "Sie wehren sich gegen das Lesen von Aufklärungsschriften und möchten auch nicht, dass darin Personen abgebildet sind. Hier sind weiterhin das Suchen und Anbieten von personaler Kommunikation, das einfühlsame, persönliche Gespräch und nicht zuletzt auch praktische Hilfen (zum Beispiel Möglichkeit der vorübergehenden Unterbringung, juristischer Beistand, finanzielle Unterstützung) vonnöten", heißt es in der Studie.

evangelisch.de/han