Rüstungsexporte gefährden den Frieden!
Deutschland exportiert immer mehr Waffen und nimmt weltweit den dritten Rang ein. Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, übt in einem Beitrag für evangelisch.de scharfe Kritik an dem florierenden Handel mit Kriegsgerät und verlangt eine Verschärfung der Kontrollmechanismen.
22.03.2010
Von Renke Brahms

Das sind zwei erschreckende Nachrichten: Nach dem neuesten Bericht des Friedensforschungsinstitutes Sipri sind die weltweiten Rüstungsexporte zwischen 2005 und 2009 um 22 Prozent gegenüber dem Zeitraum 2000 bis 2004 gestiegen. Deutschland hat in den Jahren 2005 bis 2009 mit fast elf Prozent am Welthandel mit konventionellen Rüstungsgütern seinen Anteil fast verdoppelt und nimmt damit Platz drei der Exporteure hinter den USA und Russland ein.

Das weltweite Geschäft mit Waffen hat inzwischen die fast unvorstellbare Eine-Billion-Dollar-Grenze pro Jahr deutlich überschritten. Als Zeichen menschenfreundlicher Wirtschaftsentwicklung kann das nun nicht gedeutet werden. Fehlt doch den Staaten der Welt die - im Vergleich dazu - bescheidene Summe von einmalig rund 150 Milliarden Dollar. Dieser Betrag würde nach Auskunft der Welternährungsorganisation genügen, um den Hunger einer nach wie vor wachsenden Zahl von Menschen zu beseitigen und die mit Unterernährung verbundenen Krankheiten zu minimieren. Insoweit ist die Beobachtung, dass es einen Zusammenhang von Rüstung und dem Tod verhungernder Kinder gibt, leider ebenso richtig wie die Tatsache, dass Waffenlieferungen den Frieden gefährden.

Kriegsschiffe an erster Stelle

Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) hat in ihrem jüngsten Bericht über deutsche Rüstungsausfuhren im Jahr 2008 einen Anstieg von 36,5 Prozent auf 5,78 Milliarden Euro festgestellt. An erster Stelle stehen dabei Kriegsschiffe, gefolgt von Panzern; auch der Export von kleinen und leichten Waffen macht noch ein Volumen von 176,6 Millionen Euro aus. Sie gehen in großem Umfang auch an sogenannte Drittstaaten, die nicht in der NATO oder der EU sind, wie Singapur, Saudi Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Pakistan. Hinzu kommen Zulieferungen an Rüstungshersteller in anderen europäischen Staaten.

Rüstungsexporte sind also ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor. Ich wundere mich, dass er von der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise offensichtlich bemerkenswert wenig betroffen ist. Dass arme Länder meist zuletzt an den Etats für Rüstung und Militär sparen, hat eine eigene Logik. Die deutsche Rüstungsindustrie profitiert auch von militärischen Auseinandersetzungen, die einst unter dem Vorzeichen des "Krieges gegen den Terror" begannen. Dies dokumentieren Lieferungen nach Afghanistan, Pakistan, an den Irak, Sudan oder Libanon. Selbst wenn mit den Waffen staatliche Sicherheitskräfte oder UN-Missionen ausgestattet werden sollen, kann nicht sichergestellt werden, dass sie immer auch ihr Ziel erreichen und nicht auf den Schwarzmärkten landen.

"Für die GKKE ist die Rüstungsexportpolitik ein Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der deutschen Außenpolitik als Friedenspolitik." Erstes Kriterium ist dabei, ob die eigenen Maßstäbe eingehalten werden. Die GKKE stellte fest, dass auch im Jahr 2008 deutsche Rüstungsausgaben an Staaten genehmigt wurden, die den Kriterien EU-Verhaltenskodexes für Rüstungsexporte von 2008 nicht genügen. Nach Erhebungen des Internationalen Konversionszentrums Bonn (BICC) trifft dies auf 51 Staaten zu, die 2.554 Lizenzen im Wert von 1,16 Milliarden Euro erhalten haben.

Lieferungen verschärfen Konflikte

Bereits 2007 resümierte die EKD-Friedensdenkschrift "Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen": "Rüstungsexporte tragen zur Friedensgefährdung bei. In exportierenden Ländern stärken sie eigenständige wirtschaftliche Interessenlagen an Rüstungsproduktion. In den importierenden Ländern können Waffeneinfuhren Konflikte verschärfen. (...) Die große Gefahr, die mit Rüstungsexporten einhergeht, hat seit je Kirchen und christliche Gruppen dazu bewogen, sich für ihre Beendigung einzusetzen. Konzepte für Rüstungskonversion waren dabei hilfreich. Ohne verbindliche internationale Abkommen lässt sich allerdings die neue Dynamik von Rüstungsproduktion und Rüstungsexport nicht aufhalten. (…) Mit der GKKE ist eindringlich davor zu warnen, sich bei rüstungsexportpolitischen Entscheidungen von wirtschaftlichen Interessen an der Auslastung von Kapazitäten leiten zu lassen."

Alle Zahlen belegen, dass es leider nicht gelungen ist, durch die Kontrollinstrumente auf deutscher, europäischer oder weltweiter Ebene die Rüstungsspirale aufzuhalten. Deshalb müssen diese Instrumente deutlich verstärkt werden. Es bleibt also viel zu tun, der Friedensgefährdung durch Rüstungsexport entgegenzuwirken.


Renke Brahms ist Schriftführer und damit geistliches Oberhaupt der Bremischen Evangelischen Kirche. Der 53-jährige Theologe bekleidet seit Oktober 2008 zudem das Amt des EKD-Friedensbeauftragten.