Reform der Entwicklungshilfe: Aus drei mach eins
Die Erwartungen sind hoch - es gibt Beifall im voraus, aber auch die Angst vor schmerzlichen Einschnitten. Die Reform der staatlichen Entwicklungsorganisationen ist das erste große Projekt des neuen Entwicklungsministers Dirk Niebel (FDP).
22.03.2010
Von Elvira Treffinger

"Wir fügen zusammen, was zusammengefügt werden muss", sagt er. Am Mittwoch will der "Mann mit der Militärmütze" dem Kabinett und der Öffentlichkeit Eckpunkte für die Fusion von GTZ, DED und Inwent vorstellen.

Die staatliche Entwicklungshilfe Deutschlands soll künftig mit neuem Namen, neuem Schwung und neuem Stil daherkommen. Sichtbarer, wirksamer, steuerbarer und schlagkräftiger soll sie auf Niebels Wunsch werden. Eine "atmende Organisation", die alte Stärken bewahrt und zugleich dynamisch, flexibel und kreativ nach vorne prescht, verspricht der für die Fusion zuständige Projektleiter im Ministerium, Tom Pätz.

Hauptsitz in Bonn

Die Reform ist für ihn weit mehr als das Zusammenfügen von GTZ (Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit) in Eschborn, dem Deutschen Entwicklungsdienst (DED) und der Weiterbildungsagentur Inwent die beide in Bonn sitzen. Die neue Einheit wird 14.000 Menschen in 130 Ländern beschäftigen und mehr als 1,5 Milliarden Euro im Jahr umsetzen wird. Der Hauptsitz wird vermutlich Bonn sein.

Die Reform gilt vielen in der Politik und der Entwicklungszusammenarbeit als überfällig. Die historisch gewachsene Auffächerung in mehrere Organisationen wird nicht mehr als bereichernd empfunden, sondern zunehmend als hinderlich. In der Tat überschneiden sich die Arbeitsfelder mehr und mehr. Für Reformen im Bildungssektor etwa schickt die GTZ Lehrplan-Experten in ein Entwicklungsland, vom DED kommen Fachlehrer, und Inwent bildet einheimische Pädagogen und Schulleiter weiter.

Bedenken bei der GTZ

Die Spitzen von DED und Inwent bekunden Zustimmung zu der Fusion. Die größte Organisation, das Beratungsunternehmen GTZ mit 1.800 Mitarbeitern in Deutschland und 11.000 im Ausland, hält sich dagegen bedeckt. Die GTZ macht im Jahr rund 1,2 Milliarden Euro Umsatz, davon 80 Prozent im Auftrag der Bundesregierung. Ein Fünftel des Umsatzes entfällt auf das sogenannte Drittgeschäft für andere internationale Auftraggeber, etwa Regierungen von Golfstaaten oder UN-Organisationen.

Bei der GTZ befürchtet man, dass das lukrative Drittgeschäft künftig in eine Tochtergesellschaft ausgegliedert werden und die im Ausland eingeführte Marke GTZ verloren gehen könnte. "Name und Sitz des Unternehmens werden aus Eschborn verschwinden", mutmaßt ein GTZ-Mitarbeiter, auch wenn der Standort erhalten und niemand entlassen werden soll. Doch da die Hälfte der GTZ-Mitarbeiter befristete Arbeitsverträge hat, sind Anpassungen auch ohne Kündigungen möglich.

Stellen ins Ministerium?

Es geht aber auch um politische Einflussnahme: Die GTZ mit ihrer weltweiten Präsenz und Erfahrung ist einigen Politikern und Beamten im Ministerium zu eigenmächtig. Mehr Kompetenzen sollen daher künftig ins Ministerium wandern, das bis dato 600 Mitarbeiter hat und sich mitunter auf Experten stützen muss, die von der GTZ abgeordnet sind. DED-Geschäftsführer Ulrich Wilhelm erwartet denn auch, dass im Zuge der Reform bis zu 100 Stellen in Richtung Ministerium wandern werden.

In der Politik gibt es verhaltene Zustimmung bis Skepsis. Die Unionsfraktion im Bundestag plädiert für eine Bündelung der Kräfte. Sie fordert eine echte Integration der drei Organisationen - also keine Holding - und eine Auslagerung des sogenannten Drittgeschäfts der GTZ in eine Tochterfirma.

Kritik der SPD

Die SPD kritisiert, dass die KfW Entwicklungsbank nicht in die Fusionspläne einbezogen wird, wie es Niebels Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) geplant hatte. "Indem die KfW außen vor bleibt, ist die Neuordnung der Entwicklungshilfe-Einrichtungen schon von vornherein gescheitert", sagt der entwicklungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sascha Raabe.

Der Grünen-Politiker Thilo Hoppe beobachtet die als überfällig empfundene Reform mit der Sorge, dass die Liberalen damit auch eine Neuausrichtung der Inhalte verbinden könnten. Mehr Nadelstreifen, weniger Sandalen? Niebel hat zum Beispiel klar gesagt, dass er die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft ausbauen will - und in Afghanistan die Abstimmung mit der Bundeswehr.

Unterschiedliche Rechtsformen

Bei der Fusion müssen unterschiedliche Rechtsformen, Träger, Tarifstrukturen und Geschäftsmodelle angeglichen werden. Aber es geht auch um die Unternehmenskultur. Ist die GTZ mehr vom Expertentum geprägt, gehen DED-Helfer oft mit Idealismus nach Afrika, Asien oder Lateinamerika und begnügen sich mit weniger Gehalt.

Auch Ulrich Post, Vorstand des Verbandes Entwicklungspolitik, der rund 120 private und kirchliche Organisationen vertritt, begrüßt Niebels Reformpläne im Grundsatz: "Es ist gut, wenn das Ministerium die politische Steuerung hat." Allerdings dürfe "keine verbrannte Erde hinterlassen" werden. Und Post warnt: Es wäre zu bedauern, wenn "das Moment der Solidarität" verloren gehen würde.

epd