EKD beklagt Vertreibung irakischer Christen
Die Evangelische Kirche in Deutschland beklagt die anhaltende Vertreibung von Christen aus dem Irak. Seit 2003 seien mehr als 2.000 Christen bei Überfällen und Attentaten getötet worden.

"Wir erleben, dass in diesem biblischen Land zwischen Euphrat und Tigris eine Ausrottung, Verfolgung und Vertreibung des Christentums im Gange ist", sagte der stellvertretende Bevollmächtigte des Rates der EKD in Berlin, Volker Faigle, am Samstag in Schwerte. Auch vor den Parlamentswahlen vor zwei Wochen habe es zahlreiche Übergriffe gegeben. Seit dem Sturz des ehemaligen Diktators Saddam Hussein im Jahr 2003 seien mehr als 2.000 Christen bei Überfällen und Attentaten getötet worden.

"Marodierende islamistische Banden"

Etwa zwei Millionen Menschen flohen in den vergangenen Jahren aus dem Irak, darunter viele Christen. Auslöser der "Ausrottungswelle" war nach Faigles Worten der Irak-Krieg der USA und ihrer Verbündeten im Frühjahr 2003. Seither würden die Christen im Irak als "Kollaborateure des Westens" angesehen und für den Krieg mitverantwortlich gemacht. Dies habe das "schiedlich-friedliche Miteinander der Religionen" unter Saddam Hussein beendet. Die Zahl der Christen im Irak halbierte sich in den vergangenen zehn Jahren von 1,2 Millionen auf 600.000, das sind etwa 1,6 Prozent der Bevölkerung.

Faigle appellierte an die Bundesregierung und die EU, sich für eine weitere Stabilisierung des westasiatischen Landes einzusetzen. Politisches Ziel müsse sein, dass die Flüchtlinge wieder in ihr Heimatland zurückkehren können. Dazu müsse die Infrastruktur weiter aufgebaut und die Sicherheitslage verbessert werden. "Der jetzige Staat ist nicht in der Lage, im ganzen Land für Sicherheit zu sorgen", sagte Faigle auf einer Tagung der westfälischen Landeskirche zur Situation der Christen im Nahen Osten und verwies auf "marodierende islamistische Banden".

Rechtliche Unsicherheit und staatliche Bevormundung

Der Jerusalemer Pfarrer Michael Wohlrab machte auf die sinkende Zahl der Christen in Israel und den Palästinensergebieten aufmerksam. In dieser Region gebe es noch etwa 190.000 Christen, etwa zwei Prozent der Bevölkerung. Das palästinensische Christentum nehme jedoch durch Auswanderung und niedrige Geburtenzahlen weiter ab. Als Hauptgrund für Auswanderung nannte Wohlrab, seit 2006 Pfarrer auf dem Ölberg in Jerusalem, die Lebensbedingungen unter der israelischen Besatzung. Auch die Mauer im Westjordanland und die Abriegelungen machten das Leben immer schwieriger.

Zunehmend klagten Christen zudem über Anfeindungen und Übergriffe durch Muslime, berichtete Wohlrab. Diese Konflikte würden jedoch nicht offen angesprochen, stattdessen stellten palästinensische Christen ihre arabische Identität und den gemeinsamen Widerstand gegen die israelische Besatzungsmacht in den Vordergrund.

In der Türkei ist ein Grundproblem der Christen nach den Worten von Holger Nollmann, Pfarrer der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Istanbul, weiterhin ihre fehlende rechtliche Anerkennung. Die Kirchen befänden sich "in einem Raum rechtlicher Unsicherheit und staatlicher Bevormundung", sagte er. Etwa 100.000 bis 120.000 der 70 Millionen Türken sind Christen.

epd