Obamas Gesundheitsreform vor der letzten Hürde
Nach einem dramatischen einjährigen Kampf um die Gesundheitsreform rückt ein Sieg für US-Präsident Barack Obama nun in greifbare Nähe. Führende Demokraten zeigten sich am Wochenende zuversichtlich, dass das Abgeordnetenhaus an diesem Sonntag grünes Licht für Obamas wichtigstes innenpolitisches Vorhaben geben wird. Allerdings wird bis zuletzt hinter den Kulissen um die nötigen Stimmen gerungen, um das Reformwerk auf den Weg zu bringen.

Kernziel der Reform ist es, 32 Millionen bisher unversicherten Amerikanern eine Krankenversicherung zu bieten. Obama selbst äußerte sich überzeugt davon, dass die Reform nun die wahrscheinlich entscheidende Hürde nimmt. Zwar müsste nach dem Abgeordnetenhaus auch der Senat zustimmen, aber der dortige demokratische Fraktionschef Harry Reid versicherte, dass dies gewährleistet sei. Die Abstimmung im Abgeordnetenhaus wird für den frühen Sonntagabend (Ortszeit) - hierzulande in der Nacht zum Montag - erwartet.

Den ganzen Samstag über hatten Obama und die Parteispitze daran gearbeitet, skeptische Parlamentarier in den eigenen Reihen zu einem Ja zu bewegen und damit die nötige Mehrheit im Abgeordnetenhaus zu sichern. So kam der Präsident am Vorabend der Abstimmung eigens ins Washingtoner Kapitol, um demokratische Wackelkandidaten auf seine Linie zu bringen. "Es liegt in Ihren Händen", beschwor er seine Parteifreunde bei dem Treffen am Samstag. "Es ist an der Zeit, die Gesundheitsreform zu verabschieden. Ich bin überzeugt davon, dass wir sie am Sonntag verabschieden. Lasst uns die Sache zu Ende bringen."

Demokraten gegen Abtreibung gefährden Reform

Die Demokraten im Abgeordnetenhaus benötigen 216 Stimmen, aber eine Reihe von ihnen will an der Seite der Republikaner mit Nein votieren: Den einen geht die Reform zu weit, den anderen nicht weit genug. Am Samstag mehrten sich zwar die Stimmen der Reform-Befürworter zusehends, aber es blieb dennoch unklar, ob Obama die magische Zahl bereits sicher in der Tasche hat. Der Sender CNN sprach am Samstagabend von sechs unentschlossenen Demokraten als mögliches Zünglein an der Waage.

Die demokratische Führung im Abgeordnetenhaus rückte aber mittlerweile von einem umstrittenen Abstimmungsverfahren für Sonntag ab, das die Chancen auf einen Erfolg erhöhen sollte. Experten werteten dies ebenfalls als deutliches Indiz für die gewachsene Zuversicht der Reform-Befürworter, dass die Ziellinie in Sicht ist.

Im Mittelpunkt der Stimmenjagd stand am Samstag eine Gruppe von Demokraten, die sicherstellen wollen, dass Versicherungen mit Bundeszuschüssen keine Finanzierung von Abtreibungen beinhalten. So ist dies auch in einem Entwurf vorgesehen, den das Abgeordnetenhaus im vergangenen Jahr verabschiedet hatte. Grundlage der Abstimmung am Sonntag ist aber ein Entwurf des Senats, der eine etwas lockerere Regelung zum Thema Abtreibung vorsieht und auch in mehreren anderen Punkten von der Abgeordneten-Vorlage abweicht.

Abstimmung erst über die Änderungen, dann das Original

Um die Kluft zwischen beiden Entwürfen zu überbrücken und Gegnern des Senatsvorlage in den eigenen Reihen eine Zustimmung zu ermöglichen, soll am Sonntag zunächst über ein Paket von Änderungen abgestimmt werden und erst danach über die Original-Senatsvorlage. Damit können die Gegner in den eigenen Reihen anschließend argumentieren, dass sie ja praktisch gar nicht für die Originalvorlage votiert haben, sondern bereits für eine modifizierte Version.

Ursprünglich wollte die demokratische Führung einen sogar noch raffinierteren Verfahrenstrick anwenden. Danach sollten die Abgeordneten über ein Begleitpaket von Änderungen votieren und dabei im selben Atemzug ohne direktes Votum schlicht bescheinigen, dass die Senatsvorlage als Grundlage mehrheitlich vom Abgeordnetenhaus gebilligt worden sei. Die Republikaner kritisierten dies jedoch als verfassungswidrig, und mehrere kündigten an, dass sie das höchste US-Gericht anrufen wollten. Die demokratische Parteispitze rückte nun am Samstag von der Verfahrenstaktik ab.

Wie es weiter hieß, ist auch eine Lösung des Abtreibungsdisputs gefunden worden. Demnach soll Obama per Anordnung die bisherige Praxis bekräftigen, dass Bundesmittel nicht für Abtreibungen verwendet werden dürfen. Ausnahmen gelten im Fall von Vergewaltigungen, Inzest oder akuter Gefahr für das Leben der Schwangeren.

dpa