EKD-Ratsvorsitz als Beruf: Kann das funktionieren?
Der deutsche Protestantismus braucht nach Auffassung des Unternehmensberaters Henning von Vieregge einen hauptamtlichen Spitzenrepräsentanten. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sollte zügig die Voraussetzungen schaffen, dass der Ratsvorsitzende sich dieser Aufgabe widmen könne, sagte Vieregge in einem epd-Gespräch. In einem zweiten Schritt sollte die EKD-Verwaltung ihren Sitz von Hannover nach Berlin verlegen.

Eine "Nummer eins", die nicht der Doppelbelastung von Spitzenamt in EKD und einer Landeskirche unterliegt, könnte die unter den ehemaligen Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber und Margot Käßmann erreichte öffentliche Präsenz sichern und ausbauen, äußerte Vieregge als Erwartung. Bisher ist der Ratsvorsitzende in der Regel in Personalunion leitender Geistlicher einer Landeskirche.

Protestantische Positionen in Politik, Gesellschaft und Öffentlichkeit könnten durch einen hauptamtlichen Repräsentanten erfolgreich vertreten werden, argumentierte Vieregge, der bis 2009 Hauptgeschäftführer des "Gesamtverbandes Kommunikationsagenturen GWA" war. Ein Ratsvorsitzender mit "Glaubwürdigkeit, Persönlichkeit und Substanz", der sich kontinuierlich zu ethischen Themen in den gesellschaftliche Debatte einbringe und auf Bundesebene gut vernetzt sei, habe auch eine enorme Wirkung auf Kirchenferne, zeigt sich der Berater von Unternehmen und Verbänden überzeugt.

Mehr tun im Kampf um Aufmerksamkeit

Zudem spreche der wachsende Stellenwert der europäischen Ebene bei vielen politischen Themen dafür, dass ein hauptamtlicher EKD-Ratsvorsitzender regelmäßig auch in Brüssel präsent sei und dort evangelische Positionen in die EU-Debatten einbringe, sagte Vieregge weiter. Er erwartet, dass es gegen eine hauptamtliche EKD-Spitze auch innerkirchliche Widerstände geben werde, da damit eine Zuwachs von Zuständigkeiten für den Spitzenrepräsentanten einhergehen müsse. Die Verantwortlichen in der EKD müssten sich allerdings fragen lassen, wie wichtig sie den "Egoismus der Kleinteiligkeit und Machtzersplitterung" in einer der schwersten Glaubwürdigkeitskrisen beider Kirchen nähmen. "Wenn der Protestantismus im Kampf um Aufmerksamkeit bestehen will, muss er mehr tun als bisher", sagte Vieregge.

Im Rahmen der EKD-Reformdebatte hatte Bischof Martin Hein von Kurhessen-Waldeck im vergangenen Jahr einen Leitenden Bischof oder Erzbischof als Repräsentanten der evangelischen Kirche ins Gespräch gebracht. Hein schlug vor, der Leitende evangelische Bischof sollte zugleich Berliner Bischof sein. Bisher stammen die Ratsvorsitzenden, die auf sechs Jahre gewählt werden, aus unterschiedlichen Landeskirchen.

epd