Nahost-Quartett gibt Israel zwei Jahre für Friedenslösung
Seit einem Jahrzehnt dümpeln die Nahost-Friedensgespräche ohne Aussicht auf Erfolg dahin. Jetzt hat das sogenannte Nahost-Quartett - USA, Russland, EU und UN - die Daumenschrauben angelegt. Binnen zwei Jahren sollen die Verhandlungen über einen unabhängigen, demokratischen und lebensfähigen Palästinenserstaat abgeschlossen sein. Bis dahin wird Israel in die Pflicht genommen, seinen Siedlungsbau einzufrieren. Eins scheint aber ziemlich sicher: Mit der derzeitigen Koalition aus rechtsgerichteten und siedlerfreundlichen Parteien in Israel lässt sich das kaum machen.
19.03.2010
Von Wolfgang Jung und Hans Dahne

Die monatelange Nahost-Geheimdiplomatie des Kreml hat sich aus russischer Sicht voll ausgezahlt. Ein "klares Signal" gegen Israel habe sich das Riesenreich gewünscht, berichteten Medien in Moskau. Schon lange sei Russland der Ansicht, dass vor allem die USA zu wenig Druck auf die Regierung in Tel Aviv ausüben würden. Nun spiegele aber die am Freitag in Moskau verabschiedete "harte Erklärung" des Nahost-Quartetts - zu dem außer Russland auch die USA, die Vereinten Nationen und die Europäische Union gehören - die Interessen des Landes in der Konfliktregion wieder, betont der Politologe Dmitri Trenin. "Moskau geht es im Nahen Osten darum, wieder als Großmacht Anerkennung zu bekommen - ob das aber für den Friedensprozess in der Region förderlich ist, bleibt abzuwarten."

Hiobsbotschaft für Israels Regierung

Die "harte Erklärung" des Nahost-Quartetts sei nicht allein auf Initiative Russlands zustande gekommen, unterstreicht der Politologe Fjodor Lukjanow. Die Europäer sind immer noch empört, dass die Beteiligten des Mordanschlags auf einen Hamas-Führer mit gefälschten EU-Pässen in die Vereinigten Arabischen Emirate eingereist seien - und im Verdacht stehe der israelische Geheimdienst. Und die USA seien über den aktuellen Plan der Führung in Tel Aviv verstimmt, in dem von Arabern bewohnten Ostteil von Jerusalem 1600 neue Wohnungen zu bauen.

Für die israelische Regierung ist die Erklärung des Quartetts eine Hiobsbotschaft. Nach derzeitigem Stand der Dinge scheint es eher unwahrscheinlich, dass die Koalition einen Siedlungsstopp sowie eine Frist von zwei Jahren für Friedensverhandlungen zu ihrer Leitlinie macht. Man könne Frieden nicht künstlich und mit einem unrealistischen Zeitplan herbeizwingen, reagierte Außenminister Avigdor Lieberman auf den Entschluss des Nahost-Quartetts.

Israelis glauben nicht an Durchbruch für den Frieden

Bislang steht die Einschätzung des ultra-rechten Politikers, dass die Verhandlungen noch mindestens 16 weitere Jahre dauerten. Auch Innenminister Eli Jischai, dessen Behörde die neueste Eskalation im Siedlungsstreit auf dem Gewissen hat, wird einem Baustopp kaum zustimmen. Der Vorsitzende der streng religiösen Schas-Partei lässt sich gerade als "Retter von Jerusalem" feiern.

59 Prozent der Israelis glauben nach einer aktuellen Umfrage der Tageszeitung "Jediot Achronot" sowieso nicht, dass es mit der derzeitigen Regierung einen Durchbruch in den Friedensgesprächen mit den Palästinensern geben kann.

In den israelischen Medien wird der ganze Schlagabtausch über die Siedlungen längst zu einer Art Machtkampf stilisiert. Regierungschef Benjamin Netanjahu fühle sich von der internationalen Gemeinschaft - zu Unrecht - stärker an die Kandare genommen als seine Vorgänger, heißt es. Seine Vermutung: Seine Regierung soll so weit ins Abseits manövriert werden, bis er die Oppositionspartei Kadima von Ex- Außenministerin Zipi Livni ins Boot holt und dafür Blockierer wie Lieberman und Jischai entlässt.

Immerhin: 65 Prozent der Israelis halten das nach einer aktuellen Umfrage für eine gute Idee. Livni war israelische Verhandlungsführerin bei der letzten Runde von Friedensgesprächen, die vor Beginn des Gaza-Krieges im Dezember 2008 abgebrochen wurden.

Starkes Signal zum "indirekten" Dialog

Das Quartett rufe Israel weiter auf, alle seit März 2001 errichteten Siedlungen wie im Friedensplan (der "Road Map") vorgesehen wieder abzureißen, teilte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Moskau mit. Er kündigte eine baldige Reise in den Gazastreifen an. Allerdings müssten die Palästinenser ihre "aufwieglerische Rhetorik" zügeln: "Ein Dialog ist ein wichtiger Schritt zu Verhandlungen ohne Vorbedingungen." Der UN-Generalsekretär zeigte sich "tief beunruhigt" über die humanitäre Situation in dem abgeriegelten Palästinensergebiet. In der Nacht zum Freitag griffen israelische Kampfflugzeuge Ziele im Gazastreifen an, nachdem erstmals seit dem Gaza-Krieg vor gut einem Jahr ein Mensch in Israel durch eine palästinensische Rakete getötet worden war.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle lobte in Berlin das "starke Signal" des Nahost-Quartetts. "Es ist jetzt an den Konfliktparteien, alles zu tun, was notwendig ist, damit es sobald wie möglich zu diesen Friedensgesprächen kommt", sagte er. US-Außenministerin Hillary Clinton bezeichnete in Moskau die Pläne Israels zum Bau von 1.600 Wohnungen in dem von Arabern bewohnten Ostteil Jerusalems als "einseitige Schritte, die nicht bei der Lösung der Situation" helfen. "Wir hoffen sehr, dass beide Parteien schon bald zumindest indirekte Verhandlungen beginnen", sagte Clinton.

US-Präsident Barack Obama will nach Informationen des Fernsehsenders Fox News in den nächsten Tagen mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zusammenkommen, um über die Siedlungsfrage zu beraten. Netanjahu reist am Sonntag in nach Washington und nimmt Anfang der Woche an einem Treffen der israelischen Lobbygruppe AIPAC teil. Das Weiße Haus bestätigte die Pläne zunächst nicht.

dpa