Deutschlandtrend: Zölibat sollte abgeschafft werden
Die überwältigende Mehrheit der Bundesbürger ist laut einer ARD-Umfrage für eine Abschaffung des Zölibats in der katholischen Kirche. Missbrauch sei jedoch nicht allein ein Problem der Kirche.

87 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass das Gebot zur Ehelosigkeit für das Priesteramt nicht mehr zeitgemäß ist. 9 Prozent der Bürger halten die Verpflichtung zur sexuellen Enthaltsamkeit für sinnvoll. Dies ergab der neuste Deutschland-Trend im ARD-Morgenmagazin.

Missbrauch findet auch außerhalb kirchlicher Einrichtungen statt. 88 Prozent der befragten Bürger denken, dass Kindesmissbrauch auch in anderen Lebensbereichen wie Schulen, Vereinen oder Familien ein weit verbreitetes Problem darstellt. 9 Prozent sind nicht dieser Meinung.

Experte sieht Zusammenhang von Zölibat und Missbrauch

Der Pädophilie-Experte Michael Osterheider sieht einen Zusammenhang zwischen der Ehelosigkeit von Priestern und den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. Nach seinen Forschungen fühlten sich "Leute, die andere sexuelle Interessen haben, von einer Institution angezogen, wo nicht verlangt wird, dass man in einer Partnerschaft lebt", sagte der Leiter der Regensburger Forensik dem Bayerischen Rundfunk. "Die Täter suchen sich ein soziales Umfeld, wo sie verfügbare Opfer finden", meinte Osterheider. "Da bietet die Kirche ein Feld."

Damit widersprach der Psychiatrie-Professor den Aussagen mehrerer deutscher Bischöfe, wonach Zölibat und Missbrauchsfälle nichts miteinander zu tun haben. Osterheider will nach dem Vorbild der Berliner Charité in Regensburg die erste bayerische Ambulanz zur Behandlung pädophiler Männer aufbauen.

Hintergrund: Das Zölibat

Die Ehelosigkeit von Priestern wurde von der katholischen Kirche im 12. Jahrhundert durch Konzilsbeschluss eingeführt. Das auch in einigen vor- und außerchristlichen Religionen geforderte Zölibat (lateinisch caelebs = unverheiratet) hat innerhalb des Christentums seine Ursprünge im 4. Jahrhundert. Das Neue Testament kannte noch keine Regelung dieser Art. In ihm wird nur die Ehelosigkeit "um des Himmelreichs willen" als Wert anerkannt.

Im frühen Christentum setzte sich dann aber die Vorstellung durch, dass Ehe und Dienst am Altar nicht vereinbar seien. Eine endgültige Regelung traf schließlich das 1139 zusammengetretene Konzil. Hoffnungen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) auf eine Änderung oder Aufhebung des Zölibatsgesetzes wurden von Papst Paul VI. 1967 mit der Enzyklika "Sacerdotalis caelibatus" zunichtegemacht. Papst Johannes Paul II. bekräftigte das Zölibat mehrfach. Sein Nachfolger Benedikt XVI. hält das Zölibat für einen "heiligen" Wert der Kirche. Er nannte es erst kürzlich ein Zeichen der völligen Hingabe an Gott. Die Kirche müsse an dieser Besonderheit des Priesteramtes festhalten.

dpa